Kitesurferin Leonie Meyer mit Sohn Levi (Foto: US Open)

Mütter im Leistungssport: Es bleibt noch viel Luft nach oben

„Passt Familienplanung in meine Karriere?“ Diese knifflige Frage stellen sich (in Deutschland) sicherlich viele Paare. Wenn besagte Karriere jedoch gleichbedeutend mit Leistungssport ist, wird es besonders haarig. Leonie Meyer beantwortete diese Frage erst im zweiten Anlauf mit Ja. Ihre Ausgangslage zu diesem Zeitpunkt: Wechsel vom Segeln zum Kitesurfen – also in eine Sportart, die 2024 erstmals olympisch sein wird. Das zweite Staatsexamen in Humanmedizin vor der Brust. Viele Themen, denkt sich die damals 27-Jährige. Zu viele Themen.

 

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Doch dann legt ein gewisser Virus namens Covid-19 die Welt lahm – und Leonie fragt sich: „Was ist mir eigentlich wichtig in meinem Leben?“ Und entscheidet sich gemeinsam mit ihrem langjährigen Partner zur Familienplanung. Eine Entscheidung, die vor allem Frauen im Leistungssport derzeit eher erschwert als erleichtert wird.

„Es ist noch extrem viel Luft nach oben, wenn es um die Unterstützung von Müttern im deutschen Sport geht“,

sagt Meyer. Besonders die Frage nach dem Kaderstatus und den Anforderungen an die Athlet:innen stößt der gebürtigen Osnabrückerin auf: „Es kann doch nicht sein, dass ich, um meinen Kaderstatus und damit auch zukünftig Förderung zu erhalten, fünf Monate nach der Geburt meines Kindes bei einem Wettkampf die gleichen Kriterien erfüllen muss wie ein junger Vater oder jede:r andere Athlet:in, der oder die nicht neun Monate schwanger war.“

 

Das Problem Kaderstatus: Wie kann ein Comeback nach Schwangerschaft fair gestaltet werden? 

„Wenn ich solche Stories wie die von Leonie höre, dann kriege ich das Grauen“, kommentiert eine weitere Leistungssportlerin das Gehörte. Ihr Name: Laura Ludwig, Beachvolleyball-Olympiasiegerin von 2016. Und seit fast genau einem Jahr zweifache Mama. Auch für sie war in früheren Jahren eigentlich klar: „Wenn ich Kinder kriege, dann bin ich raus.“ Weil sich Ludwig aber immer noch gut fühlte, startete sie nach ihrer ersten Schwangerschaft das Comeback – und nach der Geburt ihres zweiten Sohnes letztes Jahr versucht sie nun erneut, sich für Olympia zu qualifizieren. Wieder alles auf Anfang, wieder mit einer neuen Teampartnerin. Warum quält sie sich wieder? Oder besser gesagt, immer noch? „Weil ich gesehen habe, dass es geht. Dass es auch als Mama möglich ist, wieder auf Topniveau zu spielen.“ Vorbilder wie die US-Amerikanerin Kerri Walsh, dreifache Mutter und mehrfache Olympiasiegerin im Beachvolleyball, hätten auch ihr den entscheidenden Kick gegeben.

Dass eine Schwangerschaft nicht gleich das Ende der Leistungssportkarriere bedeutet, zeigt auch Laura Ludwig, die sich nach der Geburt ihres zweiten Kindes zum fünften Mal für die Olympischen Spiele - 2024 in Paris - qualifizieren will. (Foto: Malte Christians)

„Es braucht diese Inspiration, um sich als Leistungssportlerin überhaupt zu trauen, das Thema Familienplanung anzugehen.“

Leonie Meyer ist es wichtig, die räumliche Trennung von ihrem Sohn aufgrund von Trainings- und Wettkampfaufenthalten im Ausland so gering wie möglich zu halten. (Foto: Dominik Krause von VanTourer)

Genau diese Vorbildrolle möchte Leonie Meyer auch für andere junge Frauen ausfüllen. Zeigen, dass es möglich ist, neben Familie und Leistungssport sogar auch das Studium erfolgreich abzuschließen. Die Kitesurferin, die für ihre außergewöhnlichen Leistungen 2021 in der von Sporthilfe und Deutscher Bank initiierten öffentlichen Online-Wahl zur Sport-Stipendiatin des Jahres ausgezeichnet wurde, zieht aus dem positiven Feedback, das sie via Social Media oder in Gesprächen mit anderen Athlet:innen erhält, Kraft für schwere Tage. „Natürlich gibt es auch Momente, in denen ich mich frage: Wie soll ich das alles schaffen? Macht es überhaupt noch Sinn, weiterzumachen? Gerade, wenn es um die Gesundheit meines Sohnes geht, werde ich mir meiner Grenzen deutlich bewusst. Da wackelt das Kartenhaus schon gehörig.“ Dass dieses nicht umfällt, dafür sorgt neben der Fürsorge und Motivation von Leonies Partner und ihrer Familie auch die Sporthilfe. Zeitweise habe sie sich nur dank dieser Förderung über Wasser halten und laufende Kosten decken können. 

Ein großes Manko: Die Kinderbetreuung auf Trainings- und Wettkampfreisen 

Das Umfeld, unterstreicht auch Laura Ludwig, dieses „kleine Dorf um uns herum“, sei der entscheidende Faktor, warum sich all die Themen in ihrem Leben irgendwie vereinbaren lassen. Denn aus Sicht der 37-Jährigen ist klar:

„Unser ganzes System, nicht nur im Sport, ist nicht darauf ausgelegt, Arbeits- und Familienleben sinnvoll kombinieren zu können. Es ist gesellschaftlich wie eine Last, wenn Kinder ins Spiel kommen.“

 

Und diese Ausgangslage, da sind sich beide Sportlerinnen einig, offenbart auch strukturellen Nachholbedarf im Umgang mit den Herausforderungen für Mütter. Besonders hart trifft es Meyer und Ludwig, die beide von Ludwigs Ehemann Imornefe Bowes trainiert werden, beim Thema Kinderbetreuung. Ob als Beachvolleyballerin auf der Tour mit Turnieren auf dem ganzen Globus verteilt oder als Kitesurferin, angewiesen auf Wind- und Wetterbedingungen am Wasser: der Alltag der Athletinnen ist mit extrem vielen Reisen verbunden – und damit auch der Frage, wohin sie ihre Kinder mitnehmen können und wer diese dann vor Ort (mit)betreuen kann. „Ich habe Levi nicht bekommen, um ihn alle drei Wochen mal eine Woche zu sehen“, betont Leonie Meyer.

 

Beachvolleyball-Olympiasiegerin Laura Ludwig mit Ehemann und Trainer Imornefe Bowes und ihrem älteren Sohn Teo. Bruder Lenny kam im Mai 2022 zur Welt. (Foto: Mirja Geh)

Wollen sie ihren Nachwuchs jedoch dabei haben, entstehen konsequenterweise immense Extrakosten für Flugtickets, größere Unterkünfte und Kinderbetreuung während der Trainings- und Wettkampfzeiten. Für Laura Ludwig zeigt sich an diesem Beispiel ein grundlegendes Problem: „Es wird zwar mehr über Themen gesprochen, letztlich fehlt es aber noch an den nötigen helfenden Strukturen und der konkreten Unterstützung.“ Deshalb suchten beide Athletinnen den Kontakt zur Sporthilfe, die anlässlich des Muttertags im Mai 2023 einen Spendenaufruf startete, um nochmals mehr auf die Thematik aufmerksam machen und für direkte Hilfe sorgen möchte.

Olympia-Premiere 2024: Deutschlands beste Kitesurferin Leonie Meyer hat ihr Ziel klar im Blick (Foto: Sailingenergy für GermanSailingTeam)

Das Verständnis für die Lage von Müttern im Sport nimmt zu 

Beide Athletinnen betonen zugleich, dass grundsätzlich Bewegung in die Causa Schwangerschaft und Comeback im Leistungssport kommt. Man werde gehört und es gäbe auch ein wachsendes Verständnis für die Lage der betroffenen Frauen, betont die gebürtige Berlinerin Ludwig. Sie könne auf Unterstützung aus verschiedenen Richtungen zählen, berichtet auch Leonie Meyer. Dies sei ein Fortschritt zu Zeiten, „in denen die Sporthilfe und das #Comebackstronger-Programm die einzige Förderung“ für sie gewesen sei. Dass sie nun gezielt Themen ansprechen könnten, sei eine Weiterentwicklung. Ähnlich sieht es die Beachvolleyball-Olympiasiegerin. Sie sei gerne dabei, Lösungen für die Zukunft zu entwickeln, damit Frauen überhaupt eine Perspektive geboten bekämen. „Ich denke mir auch manchmal: Verlangen wir vielleicht zu viel?

Es fühlt sich einfach leider oft noch wie ein Kampf an. Als ob es uns Frauen systematisch schwerer gemacht wird – nur weil wir uns entschieden haben, eine Familie zu gründen.“ 

Dabei sind sich die Weltklasseathletinnen einig: Viele Mütter, die die einschneidenden Erfahrungen von Schwangerschaft, Geburt und dem neuen Familienalltag gemacht hätten, seien in der Lage, neue Kräfte zu entfalten und Großes zu leisten. „Deshalb sollte man zum Muttertag auch einfach mal der eigenen Mama Danke sagen. Für alles, was sie und alle Mütter da draußen tagtäglich leisten“, findet Leonie Meyer. Und Laura Ludwig ergänzt:

„Wir Frauen können schon Einiges anpacken – wenn wir dürfen und um die Unterstützung drumherum wissen.“

Passend zum Muttertag hat die Sporthilfe einen Spendenaufruf gestartet: Unterstütze jetzt mit deiner Spende die von der Sporthilfe geförderten Mütter.

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