Max Wiskandt (Bildquelle: Christoph Volkmer)

Tennis: Fernziel Wimbledon

Deutschlands Tennis-Nachwuchs auf den Spuren von Steffi Graf, Boris Becker und Michael Stich – erstmals mit Unterstützung der Deutschen Sporthilfe


„Ich will auf der Tour spielen.“ Lulus Ziel ist eindeutig. „Lulu“, das ist Luisa Meyer auf der Heide, Jahrgang 2002, Schülerin aus Steinhagen bei Bielefeld – und eines der größten Talente im Nachwuchskader des Deutschen Tennis Bundes (DTB). Luisa träumt von einer Karriere als Profi. „Tennis ist mein Leben“, sagt die 16-Jährige, die mit vier Jahren zum ersten Mal den Schläger in der Hand hatte. Auf nationaler Ebene hat sie in den letzten Jahren alle Titel in den Altersklassen U10, U12 und U14 gewonnen – und bereits mit 14 auf einer mehrwöchigen Südamerika-Turnierserie die Luft des Profialltags geschnuppert. Fünf ITF-Einzeltitel im Juniorenbereich stehen bereits zu Buche. Die ITF, die International Tennis Federation, will über die Junior-Serie jungen Tennisspielern einen Einstieg in die Erwachsenen- und in der Folge in die professionelle WTA- bzw. ATP-Tour ermöglichen.

Mit ihrem Ziel, auf der Profi-Tour zu spielen, steht Luisa nicht allein. Fast alle Spielerinnen und Spieler im DTB-Nachwuchskader vereint der Traum von einer Profikarriere – wenngleich der Weg dorthin ein weiter ist. Und erstmals in der Geschichte des Verbandes wird dieser auch mit Unterstützung der Deutschen Sporthilfe bestritten.

Träumt von einer Profi-Karriere: Luisa Meyer auf der Heide (Bild: Daniel Schulz)

Tennis und Deutsche Sporthilfe – wie passt das zusammen?

Benötigen Athleten einer Sportart, die mit dem Klischee behaftet ist, ein Sport der Besserverdienenden zu sein und in der in der Weltspitze Millionen an Preisgeldern verdient werden, Sporthilfe-Förderung? Ja, denn der DTB ist zwar der größte Tennisverband der Welt, doch seine finanziellen Mittel sind begrenzt. „Spieler auf der Profi-Tour verdienen sehr gutes Geld, darüber braucht man nicht zu diskutieren“, sagt Klaus Eberhard, Sportdirektor des DTB, der selbst Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre Profispieler war. „Aber der Weg dorthin ist nicht minder mühsam und finanziell aufwendig als in anderen Sportarten. Um richtig gut zu werden, muss man eine Menge investieren.“

Luisa Meyer auf der Heide

* 31.01.2002

Im Deutsche Post Top-Team Future seit 2018

Größter Erfolg: Turniersiege ITF 2017

Julia Middendorf

* 31.03.2003

Im Deutsche Post Top-Team Future seit 2018

Größter Erfolg: 3. Platz U14-Europameisterschaften

Entsprechend erarbeitete der DTB Anfang 2017 ein neues Förderkonzept. Junge Talente sollen früher erfasst und bereits im Alter von 12 bis 14 Jahren an den Verband herangeführt werden. Ein wichtiger Bestandteil ist die Stärkung und der Ausbau der vier DTB-Bundesstützpunkte, an denen rund 60 Prozent der besten Nachwuchsspieler umfassend betreut werden. Die anderen erhalten partiell Unterstützung für die Finanzierung ihrer privaten Coaches, einzelner Wettkampfreisen oder auch für Fitnesscoaches und Physiotherapeuten.

Gewann 2017 bei den U14-Europameisterschaften die Bronzemedaille: Julia Middendorf (Bild: Christoph Volkmer)

Jüngere Jahrgänge im Fokus

Der Anfang ist gemacht. „Doch wir haben durchaus noch Defizite aufzuholen. In der ITF-Jugendweltrangliste stehen unsere Junioren und Juniorinnen noch nicht dort, wo sie platziert sein müssten. Wir brauchen bei den jüngeren Jahrgängen noch ein wenig Geduld“, schätzt Eberhard die Entwicklung realistisch ein. Geduld - und zusätzliches Geld. „Wir unterstützen die jungen Athleten nach besten Kräften, um sie an die internationale Turnierserie heranzuführen, aber wir können nicht für sämtliche Kaderathleten alle Kosten übernehmen, das übersteigt unser Budget um ein Vielfaches“, zeigt der Leistungssport-Verantwortliche ein großes Bedarfspotential auf. Aktuell liege der Fokus auf den jüngeren Jahrgängen, um die Talente möglichst schnell an die internationale Ebene heranzuführen.

An dieser Stelle kommt die Deutsche Sporthilfe ins Spiel. Der Gutachterausschuss der Stiftung hat beschlossen, dass bis zu 20 Athleten des Nachwuchskaders (NK1) in das „Deutsche Post Top-Team Future“ aufgenommen werden. Eine von ihnen ist Julia Middendorf:

 

Ich fühle mich sehr geehrt, von der Sporthilfe gefördert zu werden. Das ist etwas ganz Besonderes für mich.

„Finanziell hilft mir das ungemein, da die Turnierreisen, insbesondere ins Ausland, sehr viel Geld kosten,“ sagt die 15-jährige Schülerin. Der Vergleich mit der internationalen Konkurrenz ist auch in ihrem Alter bereits unverzichtbar.

Dass Julia international konkurrenzfähig ist, hat sie im vergangenen Jahr mit dem Gewinn der Bronzemedaille bei den U14-Europameisterschaften in Tschechien unter Beweis gestellt. Gut, dass ihre Schule kulant mit ihren Fehlzeiten umgeht: „So lange die Noten stimmen – und das tun sie –, bekomme ich viel frei. Selbst für das Training wird mein Stundenplan entsprechend angepasst.“ Schwieriger sei es da schon, im niedersächsischen Dinklage die passenden Spielpartner zu finden.

Diese Schwierigkeit hat Fynn Künkler nicht. Der 17-Jährige ist vor knapp zwei Jahren von Bielefeld an den Bundesstützpunkt nach Hannover gegangen, wo er täglich mit den besten Nachwuchsspielern trainieren kann. Parallel besucht er die Eliteschule des Sports in Memmingen – Internatsförderung durch die Sporthilfe inklusive. Und auch wenn Fynn sein Berufsziel „Profispieler“ klar formuliert, den Gedanken, die Schule vorzeitig zu beenden, um sich noch früher auf die Tenniskarriere konzentrieren zu können, hatte er nie. „Mir ist es wichtig, dass ich die Schule normal beende und einen guten Abschluss habe.“

 

Der gleichaltrige Osman Torski dagegen hat sich nach Abschluss der zehnten Klasse dazu entschieden, zu 100 Prozent auf Tennis zu setzen und ist dafür ebenfalls an den Bundesstützpunkt gewechselt: „In Hannover haben sie meinen mittleren Schulabschluss nicht anerkannt, so dass ich für mein Abitur noch vier Jahre zur Schule hätte gehen müssen.“ Das war ihm in Hinblick auf die anvisierte Tenniskarriere zu langwierig. Stattdessen trainiert der aktuell Führende in der deutschen Rangliste des Jahrgangs 2001 am Stützpunkt unter hochprofessionellen Bedingungen täglich bis zu sechs Stunden.

 

Trainiert unter professionellen Bedingungen bis zu sechs Stunden täglich: Osman Torski (Bild: Jürgen Hasenkopf)

Wenn ich mich auf das Training konzentriere und nicht zu sehr ablenken lasse, dann kann ich den Weg an die Weltspitze schaffen.

"Mir ist es wichtig, dass ich die Schule normal beende und einen guten Abschluss habe." Fynn Künkler lässt parallel zum Tennis auch sein Abitur nicht aus den Augen (Bild: Christoph Volkmer)

Extra Tipps hat er zuletzt bei einem Lehrgang von keinem Geringeren als Boris Becker bekommen, den der DTB als „Head of Men’s Tennis“ gewonnen hat und die jungen Spieler auf zentralen Lehrgängen oder bei Besuchen an den Stützpunkten berät. „Man kann in zwei, drei Tagen nicht die Technik ändern, aber man kann jungen Spielern neue Philosophien über das Welttennis erklären“, definiert Becker seine Funktion: „Tennisspieler in der Weltklasse verändern sich alle 18 Monate. Sie lernen neue Spielweisen, damit sich die Gegner nicht so schnell an sie anpassen können. Deshalb versuche ich, den jungen Talenten beizubringen, dass man neben einem Plan A auch einen Plan B und einen Plan C benötigt. Das ist meine wichtigste Botschaft.“ Die Zusammenarbeit soll mindestens bis zu den Olympischen Spielen 2020 in Tokio dauern, dort will der Olympiasieger von 1992 – im Doppel mit Michael Stich – seinen Teil zu einem erfolgreichen Auftritt der deutschen Mannschaft beitragen. Die Leistungssport-Verantwortlichen im DTB geben dafür ein klares Ziel vor: eine Medaille.

 

Wer glaubt, dass Olympische Spiele im Tennis hinter Grand-Slam-Turnieren zurückstehen, dem hält der DTB-Sportdirektor ein flammendes Olympia-Plädoyer entgegen: „Eine Olympia-Medaille ist etwas ganz besonderes für einen Tennisspieler. Roger Federer wollte unbedingt die Goldmedaille, trotz unzähliger Grand-Slam-Siege. Ob das im Einzel oder Doppel ist, ist dann noch nicht einmal von Bedeutung. Die Medaille zählt. Die Olympiamedaille stand z.B. auch bei Angelique Kerber in ihrem herausragenden Jahr 2016 extrem im Blickpunkt. Noch heute redet man vom "Golden Slam" von Steffi Graf. Das war 1988! Lange her. Aber erst die Goldmedaille hat das Jahr zu dem berühmten Jahr 1988 gemacht.“

Traum von Olympia

Und 2020 in Tokio? Wird „Lulu“, also Luisa Meyer auf der Heide, dann für Deutschland aufschlagen? Voraussichtlich kommen die Spiele in Japan noch zu früh, doch auch für sie übt Olympia schon heute eine besondere Faszination aus. „Ich hatte die große Ehre, im letzten Jahr für Deutschland am European Youth Olympic Festival teilzunehmen.“ Zwar ging das Spiel um Platz drei im Doppel verloren und es blieb am Ende somit der etwas undankbare vierte Platz, aber trotzdem „war es bisher eines der schönsten Erlebnisse in meinem Leben. Das will ich wiederholen. Ich will bei Olympia spielen.“

Fynn Künkler

*26.01.2001

Im Deutsche Post Top-Team Future seit 2017

Größter Erfolg: Siege bei TE Turnieren

Osman Torski

* 24.07.2001

Im Deutsche Post Top-Team Future seit 2018

Größter Erfolg: Achtelfinale ITF U18

Im Deutsche Post Top-Team Future werden gefördert (in alphabetischer Reihenfolge):

  • Mara Guth
  • Mina Hodzic
  • Moritz Hoffmann
  • Amelie-Christin Janßen
  • Fynn Künkler
  • Mika Lipp
  • Eva Lys
  • Luisa Meyer auf der Heide
  • Julia Middendorf
  • Max Rehberg
     
  • Nicole Rivkin
  • Justin Schlageter
  • Nastasja Schunk
  • Henri Squire
  • Moritz Stöger
  • Osman Torski
  • Alexandra Vecic
  • Angelina Wirges
  • Max Wiskandt
  • Leopold Zima

(veröffentlicht am 03.07.2018)



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