Richard Schmidt: „Einfach in den Tag hinein leben ist nicht möglich“

Richard Schmidt gewann bei den Fecht-Weltmeisterschaften 2017 in Leipzig mit Bronze die erste Einzelmedaille im deutschen Herrendegen seit über 15 Jahren  – und legte dieses Jahr EM-Bronze nach. Wie es dem 25-Jährigen gelingt, parallel auch noch Jura zu studieren, erzählt er im Sporthilfe-Interview.


Richard, Du hast zuletzt bei der Fecht-EM Bronze gewonnen, wie schon bei der WM letztes Jahr. Wie bewertest Du den aktuellen Erfolg?

Beim Fechten ist die EM nicht viel schwächer besetzt als die WM. Ich bin super zufrieden, dass ich meinen WM-Erfolg wiederholen konnte und bin froh, dass ich zeigen konnte, dass das bei der WM letztes Jahr keine Eintagsfliege war, sondern ich auch gut genug bin, um so etwas zu erreichen.

Viertelfinalsieg auf dem Weg zu WM-Bronze 2017 bei der Heim-WM in Leipzig (Bild: picture alliance).

Dort hast Du Bronze gewonnen – als Debütant und Nummer 135 der Weltrangliste. Hast Du das damals selbst überhaupt glauben können?

Ich habe mir eigentlich immer zugetraut, die Besten zu schlagen, und gewusst, dass ich an einem guten Tag auch die Favoriten schlagen kann. Dass es dann auch so geklappt hat, hat mich natürlich in gewisser Weise – positiv – überrascht, aber es war nicht so, dass es für mich überhaupt nicht greifbar war.

Sind Geschichten wie Deine solche, die nur der Sport schreibt?

Um es zu relativieren: Im Degenfechten kommt so etwas häufiger vor, da es deutlich mehr Teilnehmer und eine breitere Spitze gibt, als bei den anderen Waffen – auch dadurch bedingt, dass bei uns der ganze Körper zählt, und es Doppeltreffer gibt. Viele haben das Niveau vorne mitzumischen und dadurch kommt es häufiger vor, dass ein Favorit verliert. Aber klar, diese Geschichten, dass ein Underdog siegt, machen den Sport aus – sonst wäre er ja auch langweilig.

Spätestens nach Deiner zweiten internationalen Medaille muss man Dich bei den nächsten großen Turnieren auch zu den Favoriten zählen. Besteht jetzt für Dich umgekehrt das Risiko, dass Dich ein vermeintlicher Underdog schlägt?

Das Risiko besteht immer. Bei der diesjährigen EM und der WM im letzten Jahr hatte ich noch den Vorteil, dass ich vielleicht unterschätzt worden bin. Das passiert mir jetzt nicht mehr. Andersrum kann man im Gefecht aber auch sehr schnell zeigen, wer der Chef ist. Wenn es gut läuft, haben die anderen jetzt Respekt und wenn es bei mir gut läuft, denken sie ‚Oh, der hat schon zwei Medaillen und liegt vorne, das schaffe ich wohl nicht mehr. ‘ Diesen Vorteil muss ich versuchen zu nutzen.

Was hat sich für Dich seit der WM-Medaille geändert?

Ich bekomme mehr Förderung von der Sporthilfe, das erleichtert mir das Leben sehr. Ansonsten, bis auf ein paar mehr Instagram-Follower, nicht viel. Klar werde ich jetzt in der Fechtwelt mehr wahrgenommen, aber auf der Straße erkennt mich natürlich trotzdem niemand.

Sportlich gesehen, ist es ein wunderbares Gefühl, weil selbst wenn ich mich jetzt verletzen würde, hätte ich immer noch was in der Hinterhand und habe in meiner Karriere schon was erreicht. Das soll keinesfalls heißen, dass ich meinen Hunger verloren habe, es gibt ja noch viel, was es zu gewinnen gibt, wie Olympische Spiele. Aber es gibt mir einfach mehr Ruhe zum Arbeiten.

Sind die Olympischen Spiele 2020 schon Dein nächstes großes Ziel?

Der Fokus liegt ab 2019 ganz klar auf der Olympia-Quali. Wir haben den großen Vorteil, dass die Europameisterschaft in Düsseldorf einer der ersten Qualifikationswettkämpfe ist. Das ist natürlich nochmal eine extra Motivation und ich habe ja gute Erfahrungen mit Heim-Meisterschaften. Die Olympia-Qualifikation ist bei uns besonders hart, da es keine nationale Norm gibt, sondern selbst als Neunter auf der Weltrangliste, der ich momentan bin, kann es sein, dass man sich nicht qualifiziert, weil wir ein System haben, dass man sich über Mannschaften qualifizieren muss und pro Kontinent dann nur einer nachrutscht. Die Quali ist schon ein hochgestecktes Ziel, aber durch die letzten Turniere fühle ich mich immer sicherer.

Du studierst derzeit Jura, wie steht es mit Deinen beruflichen Zielen?

Ich möchte irgendwann Notar werden. Das ist ein sehr hochgestecktes Ziel, weil nur die allerbesten Notar werden können, aber wie beim Fechten bin ich da sehr ehrgeizig. Ich bin jetzt scheinfrei, bis zum Examen steht dann noch die einjährige Examensvorbereitung an. Bis 2020 werde ich meinen Fokus mehr aufs Fechten legen und danach mein erstes Staatsexamen machen. Ich bin kein Mensch, der sich nur aufs Fechten oder nur aufs Studium konzentriert, ich brauche immer beides. Das ist jeweils ein schöner Ausgleich. Den ganzen Tag am Schreibtisch kann ich mir genauso wenig vorstellen, wie den ganzen Tag in der Halle. Ich werde die Zeit bis 2020 nutzen, um mich perfekt vorzubereiten, und dann den ersten möglichen Termin nach den Olympischen Spielen wahrnehmen, um das Examen zu schreiben.

Ein Wettkampfverlauf im Degenfechten kann sich sehr schnell ändern, im Studium dagegen brauchst Du vor allem Ausdauer und Disziplin. Hilft Dir der Sport dennoch, den studentischen Herausforderungen gerecht zu werden?

Der Sport lehrt einen extrem viel, vor allem Organisation. Sowohl beim Fechten als auch in der Uni und auch in der Kombination aus beidem muss man sich gut organisieren können und einen genauen Zeitplan haben. Disziplin ist auch in beiden Bereichen sehr wichtig. Im Sport gehören Einheiten, die einem nicht so gefallen, bspw. Athletik, genauso dazu, wie das regelmäßige Lernen im Studium. Zudem muss man lernen, Prioritäten zu setzen. Es gibt Phasen, da ist es wichtiger den Degen in der Hand zu halten. In den Prüfungsphasen wiederumvielleicht mal die eine oder andere Trainingseinheit ausfallen zu lassen. Ich bin aber immer froh, beides zu haben, denn mit nur einem würde mir wohl der Kopf rauchen. Wenn ich mal ein schlechtes Turnier hatte, hilft eine gute Note und wenn man in der Uni mal Stress hat, hilft es, einfach in die Halle zu gehen und auf gut Deutsch die Sau rauszulassen.

Was sind für Dich als Leistungssportler die größten Hürden im Studium und wie meisterst Du sie?

Das sind ehrlicherweise die Prüfungstermine. Ich kriege es gut hin, zu lernen und gut vorbereitet zu sein, sodass ich Spitzennoten schreiben kann. Aber eine staatliche Klausur lässt sich ebenso wenig verschieben, wie eine WM. Ich habe zum Beispiel auch schon eine Prüfung ein Semester vorgezogen und in diesem Semester dann zwei Prüfungen geschrieben, weil ich genau wusste, dass der Prüfungszeitraum im nächsten Semester während der WM gewesen wäre. Da ist Organisation extrem wichtig und man kann halt nicht einfach so in den Tag hinein leben.

Was bedeuten die Sporthilfe-Förderung und das Deutsche Bank Sport-Stipendium für Dich?

Das bedeutet mir sehr viel, weil ich meinen Sport und mein Studium sonst nicht so ausüben könnte, wie ich es jetzt mache. Durch das Deutsche Bank Sport-Stipendium und die Sporthilfe habe ich überhaupt erst die Möglichkeit, nur diese zwei Baustellen zu haben. Wenn ich diese Förderung nicht hätte, hätte ich noch Geldverdienen als dritte Baustelle und das würde ich nicht mehr schaffen. Dann müsste ich mich für eins entscheiden bzw. wäre wohl nur noch Hobbyfechter. Das Stipendium gibt mir die perfekten Rahmenbedingungen, dass ich mich voll auf diese beiden Sachen konzentrieren kann. Das ist ja so schon schwierig genug.

Richard Schmidt sorgte für die erste Einzelmedaille im deutschen Herrendegen seit über 15 Jahren (Bild: Augusto Bizzi)

Aus dem deutschen Fechtsport kommen langsam wieder mehr Erfolgsmeldungen – hat die Sportart den Umschwung geschafft? Bzw. was muss noch passieren?

Nach den Olympischen Spielen in Rio wurde viel umgeworfen, meiner Meinung nach war das auch zwingend notwendig. Zumindest im Herrendegen wurde das Leistungsprinzip mehr in den Vordergrund gerückt. Vorher wurden die bestehenden Kader geschützt, jetzt muss sich jeder neu beweisen. Viele junge Leute haben dadurch eine Chance bekommen, so bin ja auch ich überhaupt erst ins Team gekommen. Auch in der Spitze des DFB hat sich einiges getan. Ich finde es super, dass die Europameisterschaften 2019 ohne viele Vorplanungen nach Deutschland geholt wurden, als die Chance da war. Vieles bewegt sich in die richtige Richtung, aber es ist auch noch viel zu tun. Fakt ist, dass viele andere Länder Vollprofis in unseren Disziplinen haben und von morgens bis abends trainieren können. Da ist es natürlich schwer für uns mitzuhalten, aber wir geben unser Bestes.

Wäre es für Dich denn ein erstrebenswertes Ziel, Vollprofi zu werden?

Für mich persönlich finde ich es gut, wie ich es im Moment mache, ich brauche diesen Ausgleich, den ich durch das Studium habe. Bei vielen anderen wäre es aber durchaus sinnvoll, wenn sie Profis sein könnten, da sie den ganzen Tag trainieren könnten.

Warum bist Du der beste Kandidat bei der Wahl zum Sport-Stipendiat des Jahres 2018?

Ich bin der erste Degenfechter seit 16 Jahren, der eine Einzel-Medaille bei einer WM gewinnen konnte und habe gleichzeitig, trotz des Stresses, eine 15-Punkte-Seminararbeit abgeschlossen. Dadurch habe ich es dieses Jahr einfach verdient.


Steckbrief Richard Schmidt

Geburtstag 10. Juli 1992 in Hardheim (Baden-Württemberg)
Sportart Degenfechten
Wohnort Hardheim
Verein Fechtclub Offenbach
Größte Erfolge WM-Bronze 2017
EM-Bronze 2018
Studium Rechtswissenschaften
Universität Julius-Maximilians-Universität Würzburg


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