Doppel-Olympiasieger Francesco Friedrich befürwortet die Einführung eines zweiten Frauen-Wettbewerbs im Bobsport. „Es ist wichtig, dass dieser Schritt kam. Wir wollen noch über eine lange Zeit eine olympische Sportart bleiben und dafür gehört der Gleichberechtigungsgedanke dazu“, so der Rekordweltmeister im Interview mit dem go!d-Magazin der Deutschen Sporthilfe. Er äußert aber Verständnis für die Kritik von Olympiasiegerin Mariama Jamanka, die sagt: „Monobob ist keine wirkliche Gleichberechtigung. Man darf jetzt nicht sagen, das Ziel ist erreicht, nur weil man eine zweite Disziplin eingeführt hat.“ Bei den Olympischen Winterspielen in Peking (4.-20. Februar 2022) will sie zeigen, „dass unser Erfolg 2018 keine Eintagsfliege war. Aber es ist eine neue Saison, eine neue Bahn und die Rennen beginnen bei null.“ Friedrich gibt im go!d-Interview den Faktor Corona zu bedenken: „Wir können noch so hohe Sicherheitsstandards haben. Die Saison und die Spiele sind definitiv nicht so planbar wie sonst.“
Abdruck des Interviews honorarfrei. Quelle: go!d – Das Magazin der Deutschen Sporthilfe
Mariama, Francesco: Die Olympia-Bahn in Peking habt Ihr bereits vor der Saison getestet – Bobfahren und Peking, passt das gut zusammen?
Mariama Jamanka: Komischerweise ja. Man hätte es vorher nicht gedacht, aber Bobfahren und Peking geht nicht nur, sondern macht auch noch Spaß. (lacht) Es ist eine wirklich schöne Bahn, die technisch auch sehr anspruchsvoll ist. Man muss sagen, die haben das echt gut hinbekommen.
Francesco Friedrich: Die Chinesen haben alles dafür getan, um aus den Olympischen Winterspielen ein sensationelles Event zu machen. Die Bahn, die Umgebung, das ist alles herausragend, sowohl fahrerisch als auch touristisch ein Highlight – nur leider kam die Corona-Pandemie dazwischen. In China wollen sie alles dafür tun, dass die Spiele stattfinden. Das heißt, Hygienemaßnahmen, Abstand, Desinfektion und Maskenpflicht werden großgeschrieben. Während unseres Trainingslagers hat das alles super funktioniert.
Francesco, Du bist seit über zehn Jahren auf den Bahnen dieser Welt unterwegs, es kommt nicht oft vor, dass Du nochmal eine neue kennenlernst.
Friedrich: Eine neue Bahn ist für mich ein zweischneidiges Schwert. Einerseits freue ich mich, anderseits tue ich mich vielleicht etwas schwerer als jemand, der noch nicht so viele Bahnen kennt. Wie zum Beispiel der junge russische Kollege, für den ist es egal, weil er im Grunde jede Bahn neu kennenlernen muss. Ich muss den Punkt finden, an dem es für mich „Klick“ macht. Wenn ich den habe, dann bekomme ich Sicherheit.
Wie sieht Eure Olympia-Vorbereitung im Vergleich zu den vorherigen Spielen aus?
Jamanka: Die Ausgangslage ist eine deutlich andere als vor Pyeongchang. 2018 hatten wir vorher schon ein Weltcup-Rennen auf der Olympia-Bahn und auch viel mehr Trainingsfahrten. Durch Corona hatten wir in Peking nur dieses eine Trainingslager und entsprechend sehr viel weniger Fahrten. Aber das geht allen Nationen so – außer den Chinesen natürlich.
Friedrich: Der große Unterschied ist, dass der Corona-Faktor die Vorbereitung von heute auf morgen verändern kann. Du hast ständig Tests und weißt nie, was dabei herauskommt. Wir können noch so hohe Sicherheitsstandards haben, geimpft sein, Maske tragen, es kann immer irgendwo eine kleine Lücke entstehen. Die Saison und die Spiele sind definitiv nicht so planbar wie sonst.
Corona mal außen vorgelassen: Spürst Du als zweimaliger Olympiasieger und Rekordweltmeister Druck, Deine unglaubliche Erfolgsserie zu bestätigen?
Friedrich: Wenn ich weiß, mein Material passt und dass ich die Bahn gut fahren kann, weil es „Klick“ gemacht hat, dann kann ich die Rennen relativ gelassen angehen. Ich lasse in der Vorbereitung keinen Stein unangetastet. Wir hinterfragen Vieles immer wieder aufs Neue und finden dadurch jedes Jahr Dinge, durch die wir nachweislich Schritte nach vorne machen. Und trotzdem sind Olympische Spiele immer noch mal etwas anderes.
Jamanka: „Franz“ ist ein Perfektionist in allen Bereichen. Es wird sehr lange dauern, wenn es überhaupt noch einmal passiert, dass es einen Bobfahrer wie ihn gibt. Er ist nicht nur in einem, sondern wirklich in jedem Bereich gut. Er hat mit seinem Team zusammen nicht nur seine Athletik perfektioniert, er ist auch unfassbar sorgfältig akribisch, was sein Material und seine Fahrspur angeht. Das macht ihn erfolgreicher als alle anderen Bobfahrer.
Bist Du ähnlich gestrickt?
Jamanka: (lacht) Ich bin wahrscheinlich nicht die Talentierteste, aber die Hartnäckigste. Wenn ich ein Problem sehe, dann arbeite ich so lange daran, bis ich es gelöst habe. Wenn du still stehen bleibst, dann überholen dich andere. Deswegen versuche ich immer, mich zu verbessern.
Friedrich: Mariama ist sehr akribisch und gewissenhaft, mit ihr kann man vor allem auch immer gut reden und einen Flachs machen. Sie ist eine entspannte Persönlichkeit und hat durch die Goldmedaille noch mehr Gelassenheit bekommen. Das zieht sie in ihrer Laufbahn so durch und wird deshalb in China einen mega Wettkampf hinlegen.
Mariama, lässt Du den Gedanken Titelverteidigung an Dich heran?
Jamanka: Ganz wegschieben kann ich das nicht, denn natürlich tragen die Menschen das an mich heran und sprechen von mir als der Olympiasiegerin. Es ist ja auch mein größter sportlicher Erfolg. Den kann mir niemand mehr nehmen, das fühlt sich schon gut an. Ich versuche es allerdings auszublenden. Denn nichts ist im Sport vergänglicher als der Erfolg von gestern. Dass ich Olympiasiegerin bin, ändert deshalb nichts an meinen Abläufen und der Herangehensweise an die Spiele. Ich will in Peking zwar zeigen, dass unser Erfolg 2018 (Anm. d. Red.: im Zweierbob mit Lisa Buckwitz) keine Eintagsfliege war. Aber es ist eine neue Saison, eine neue Bahn und die Rennen beginnen bei null.
Neu ist insbesondere auch, dass bei den Frauen eine zweite olympische Disziplin dazukommt. Du gehörst zu den Kritikerinnen der Monobob-Einführung. Warum?
Jamanka: Grundsätzlich ist es für mich ein Problem, dass man in einer Team-Sportart eine Einzeldisziplin eingeführt hat – zumindest steht es ja so auf dem Papier. Denn ich fahre zwar allein, aber ich bin genauso auf Hilfe angewiesen wie im Zweierbob. Ich kann weder das Material allein vorbereiten noch den Schlitten am Start oder Ziel bewegen. Meine Anschieberinnen sind also eine Woche lang nur dafür da, den Monobob zu schleppen und die Kufen in Bewegung zu bringen. Das ist nichts, was Leistungssportler mögen. Ich finde es unfair, dass ihnen das aufgedrängt wird. Denn das Reglement schreibt vor, dass sich das „Team Jamanka“ nur in der Kombinationswertung qualifizieren kann. Ich kann mir nicht, wie die Männer, aussuchen, nur eine Disziplin zu fahren, sondern ich muss im Monobob ran.
Ist es insgesamt dennoch positiv zu bewerten, da eine zweite olympische Disziplin wie bei den Männern zu mehr Gleichberechtigung führt?
Jamanka: Es ist gut, dass versucht wird, etwas in Richtung Gleichberechtigung zu tun, auch z.B. in der Nordischen Kombination, das bei den Frauen olympisch werden soll. Aber Monobob ist keine wirkliche Gleichberechtigung. Beim Viererbob gibt es vier Medaillen, beim Monobob eine. Man darf jetzt nicht sagen, das Ziel ist erreicht, nur weil man eine zweite Disziplin eingeführt hat.
Francesco, wie bewertest Du die Monobob-Einführung?
Friedrich: Es ist wichtig, dass dieser Schritt kam. Wir wollen noch über eine lange Zeit eine olympische Sportart bleiben und dafür gehört der Gleichberechtigungsgedanke dazu. Ich verstehe das Ärgernis wegen der Diskrepanz zum Vierer, aber der Mono ist für die Frauen eine sehr spannende Disziplin und eine Chance auch für diejenigen, die im Zweier nicht vorne dabei sind. Der Materialfaktor – wir sagen immer ein Drittel Start, ein Drittel Fahrt und ein Drittel Material – wird limitiert, das heißt, ich kann beim Start und mit der Fahrt sehr viel rausholen.
Jamanka: Zwei Disziplinen sind für uns natürlich auch eine neue Herausforderung. Das hat Einfluss auf den ganzen Prozess, es macht die komplette Saison aufwendiger, anstrengender und kräftezehrender.
Friedrich: Jetzt wissen die Frauen mal, was wir durchmachen, wenn wir jede Woche zwei Rennen haben, zwei Schlitten und zwei Sätze Kufen vorbereiten müssen (lacht). Im Ernst, ich glaube, es wird die Qualität im Frauen-Bobsport anheben. Sie lernen neue Aspekte kennen und können das auch in den Zweierbob übertragen. Es wird sie zu besseren Pilotinnen machen. Und was die Medaillenanzahl angeht: Ich gehe davon aus, dass noch ein Team-Wettkampf eingeführt wird, der dann auch olympisch wird. Dann hat auch noch die dritte und vierte Anschieberin die Chance, um eine Medaille mitzufahren. Blicken wir dem mal optimistisch entgegen, und hoffen, dass es 2026 so weit sein wird.
Das Interview erscheint aktuell in „go!d – Das Magazin der Deutschen Sporthilfe“. Darin finden Sie auch folgende Themen:
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