Klaus Wolfermann, Speerwurf-Olympiasieger von München 1972 und Mitglied der „Hall of Fame des deutschen Sports“, rechnet den deutschen Speerwerfer:innen in Tokio sehr gute Medaillen-Chancen aus – allen voran Top-Favorit Johannes Vetter: „Vetters Leistungsvermögen ist momentan einzigartig. Er hat die richtigen Bewegungsabläufe derart automatisiert, dass er gar nicht mehr anders kann, es ist für ihn eine Selbstverständlichkeit“, so Wolfermann. „Dazu kommen eine immense körperliche Explosivität sowie der Wille, immer über 90 Meter zu werfen. Das ist fantastisch“, schwärmt der 75-Jährige von seinem potenziellen Nachfolger.
Trotz des enormen Leistungsvermögens von Johannes Vetter sei ein Olympiasieg jedoch „kein Selbstläufer. Es gibt bei Olympischen Spielen auch immer Überraschungen“, so Wolfermann, der 1972 seinem lettischen Kontrahenten und haushohen Favoriten Janis Lusis mit zwei Zentimetern Vorsprung die Goldmedaille wegschnappte. Vetters Speerwurf-Kollegen Bernhard Seifert und Julian Weber rechnet Wolfermann gute Chancen zu, unter die besten acht Werfer bei Olympia zu kommen. „Es sind gute Athleten, die sich aber an der ein oder anderen Stelle technisch noch verbessern können. Wenn sie das schaffen, dann denke ich, dass sie im Finalkampf dabei sein können.“
Beim Frauenwettbewerb, bei dem mit Christin Hussong nur eine deutsche Athletin vertreten sein wird, sieht Wolfermann eine große Leistungsdichte. „Bei den Damen kann, wenn man die Wettkampfergebnisse der letzten Zeit anschaut, alles passieren. Christin ist nicht unbedingt die Favoritin, aber ich rechne fest mit einer Medaille von ihr.“
Als große Herausforderung sieht Wolfermann das Fehlen der Zuschauer. „Für die Sportler wird es ganz schwierig, sich auf ihre Wettkämpfe einzustellen“ so der „Speerwerfer des Jahrhunderts“, der von der Sporthilfe 2011 in die „Hall of Fame des deutschen Sports“ aufgenommen wurde. Er empfiehlt, „diese Situation im Vorfeld in das mentale Trainingsprogramm einzubauen.“ Neben der Atmosphäre im Stadion – „in München haben die Zuschauer ihren Teil dazu beigetragen, dass ich Olympiasieger geworden bin“ – gehe aber bei den Spielen in Tokio noch mehr verloren: „Die Gemeinschaft im Olympischen Dorf, auch im Deutschen Haus, dort, wo man zusammenwächst als Team, wo ein Austausch stattfindet, wo jeder viel vom anderen lernen kann – und das ist sehr schade.“
Dennoch sei es richtig und äußerst wichtig, dass die Olympischen Spiele als ein Treffen und Austausch der Nationen stattfänden – „auch für die Zukunft von Olympia“, so Wolfermann. Die Spiele seien allerdings in vielerlei Hinsicht zu überdenken: „Der Sportler muss wieder mehr im Vordergrund stehen und weniger die Wirtschaft.“
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Zur Person:
Klaus Wolfermann
Klaus Wolfermann schrieb 1972 bei den Olympischen Spielen in München Sportgeschichte. Im fünften Versuch des Speerwurf-Wettbewerbs schleuderte er das Wurfgerät 90,48 Meter weit und wurde so mit zwei Zentimetern Vorsprung vor seinem großen lettischen Rivalen Janis Lusis Olympiasieger. 1973 warf Wolfermann Weltrekord (94,08 Meter). In beiden Jahren wurde er zum „Sportler des Jahres“ gewählt. 1978 beendete er seine Karriere. Wolfermann engagiert sich vielfältig für soziale Zwecke. Er arrangiert Benefiz-Spiele und Golfturniere, ist Sonderbotschafter für Special Olympics und Botschafter der Kinderhilfe Organtransplantation. 2011 wurde er in die von der Deutschen Sporthilfe initiierte „Hall of Fame des deutschen Sports“ aufgenommen. >>> zum ausführlichen Portrait auf hall-of-fame-sport.de
Abdruck honorarfrei. Quelle: Deutsche Sporthilfe