Max Hartung gewann im Juli 2015 bei den Weltmeisterschaften sowohl im Einzel als auch im Team die Bronzemedaille und qualifizierte sich für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro. Der 26-Jährige studiert Soziologie, Politik und Wirtschaft an der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen. Parallel dazu vertritt er im Präsidium des Deutschen Fechter-Bundes ehrenamtlich die Interessen der Athleten und ist Mitglied in der DOSB-Athletenkommission sowie im Aufsichtsrat der Deutschen Sporthilfe. In der vergangenen Woche konnte er bei den Europameisterschaften in Polen mit dem Team den Titel von 2015 mit Platz 7 nicht verteidigen, im Einzel belegte der EM-Zweite vom Vorjahr Platz 23.
Max, Du bist sicherlich nicht zufrieden mit der EM, wie fällt Deine Bilanz aus?
Es war in der Tat keine gelungene Generalprobe für die Olympischen Spiele. Auch über das Teamergebnis sind wir enttäuscht. Umso mehr habe ich mich über den Titelgewinn von meinem Teamkameraden Benedikt Wagner gefreut. Ich würde mein eigenes Abschneiden nicht zu hoch bewerten. Ich habe die EM voll aus dem Training heraus gefochten. Jetzt geht die Vorbereitung auf die Zielgerade in Richtung Rio. Dieses Jahr sind die Olympischen Spiele der wichtigste Wettkampf für mich und da kann alles passieren.
Insgesamt drei EM-Medaillen für das deutsche Team, für die Olympischen Spiele haben sich insgesamt nur vier Athleten qualifiziert, das ist das kleinste Fechtteam seit 60 Jahren. Wie schätzt Du das Leistungsniveau im deutschen Fechten generell ein?
Es ist offensichtlich, dass wir weniger erfolgreich sind als früher. Da spielen viele Faktoren eine Rolle, aber insbesondere der Trainerberuf ist extrem wichtig. In Deutschland haben wir nicht mehr die guten Trainer wie früher, es sei denn man hat das Glück wie wir in Dormagen, dass ein Spitzentrainer wie Vilmos Szabo aus Rumänien abgeworben werden kann. Aber insgesamt haben sich die Bedingungen verändert, beispielsweise G8 anstelle G9 in der Schule, und die Wehrpflicht ist weggefallen. Das hat Auswirkungen auf den Sport und zieht sich durch alle Sportarten in Deutschland. Jetzt muss der Sport kluge Antworten auf die veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen geben. Aber abgesehen davon: Wir werden zwar ein kleines Fechtteam in Rio sein, aber das heißt ja nicht, dass wir nicht erfolgreich sein können. In Peking war das Team auch klein und es wurden am Ende zwei Goldmedaillen. Vielleicht können wir diesmal wieder überraschen.
Wie schätzt Du Deine Chancen bei den Olympischen Spielen ein, als WM-Dritter aus dem Vorjahr und nach vielen guten Leistungen in der letzten Zeit zählst Du zu den Favoriten?
Ich gehöre sicherlich zu den Medaillenkandidaten und eine Medaille ist auch mein Ziel. Aber das Feld ist sehr eng beieinander. Ein Match bei den Olympischen Spielen kann schnell verloren gehen, aber ich sage auch, es gibt keinen Gegner, den ich nicht schlagen kann. Also gehe ich in jedes Gefecht um zu gewinnen. Ohne Angst. Sicherlich wird es vor Ort aufregend, alles entscheidet sich ja auch innerhalb eines kurzen Zeitraums. Ich werde des Öfteren gefragt, ob eine Medaillenchance eher Motivation oder Druck für mich bedeutet. Mir macht das total Spaß. Ich habe Jahre lang darauf hingearbeitet, bei den „Großen“ mitspielen zu dürfen, dort wollte ich hin und jetzt bin ich dort angekommen.
Und das in beeindruckender Manier, die letzte Saison war mit vier internationalen Medaillen Deine bislang erfolgreichste. Worauf führst Du das zurück?
Auf die Einstellung zum Sport, die sich, seit ich angefangen habe zu studieren, nochmals verändert hat. Ich trainiere seitdem viel bewusster und professioneller. Und es macht mir insgesamt viel mehr Spaß, weil ich die Abwechslung habe. Wenn ich studiere, dann bin ich für diese Zeit gedanklich raus aus dem Training oder letzten Wettkampf, dann spielen andere Themen eine Rolle. Und anschließend ist dann wieder die Motivation für den Sport größer. Sport und Studium beeinflussen sich gegenseitig positiv.
Hast Du trotzdem das Studium in der Olympiavorbereitung ein wenig heruntergefahren?
Eigentlich hatte ich geplant ein Urlaubssemester einzulegen. Aber dann bekam ich die Chance, an einem Forschungsprojekt zum Thema „Förderung von Leistungssportlern in der BRD“ zu arbeiten. Das Thema kommt mir entgegen. Hier kann ich mein ehrenamtliches Engagement mit der universitären Arbeit verbinden. Der entscheidende Punkt war aber die Möglichkeit, mobil mitarbeiten zu können. Statt 600 km zwischen Trainings- und Studiumsort pendeln zu müssen, kann ich von Dormagen aus studieren und mich trotzdem optimal auf die Olympischen Spiele vorbereiten.
Empfindest Du Sport und Studium als Doppelbelastung?
Insgesamt waren die letzten dreieinhalb Jahre sehr anstrengend und ich bin froh, wenn ich es dann am Ende geschafft habe. Aber wenn man das durchgezogen hat, dann hat man etwas Besonderes geleistet und darf auch stolz darauf sein. Besonders freut mich, dass ich dieses Jahr im Dezember mit den meisten der Kommilitonen gemeinsam graduieren kann, mit denen ich 2012 angefangen habe zu studieren. Die Wahl zum „Sport-Stipendiat des Jahres“ und die Tatsache, dass ich ein zweites Mal hintereinander für die Top 5 nominiert wurde, ist eine tolle Anerkennung – und zusätzlich die damit verbundene Erhöhung des Deutsche Bank Sport-Stipendiums eine extrem wertvolle finanzielle Unterstützung. Denn das muss ich ja auch sagen: Ohne die Förderung der Deutschen Sporthilfe, die den Löwenanteil meines Einkommens ausmacht, wäre für mich alles anders gelaufen. Entweder würde ich keinen Sport mehr machen oder bei der Bundeswehr sein. Dann hätte ich aber in Kürze keinen Bachelorabschluss. Und ich hätte wahrscheinlich auch kein Ehrenamt übernehmen können.
Seit drei Jahren engagierst Du Dich als Athletensprecher. Wie sieht Deine bisherige Bilanz aus?
Es ist ein sehr spannendes Feld, das mich zusätzlich auf Trab hält, zuletzt insbesondere die Doping-Enthüllungen, aber auch die Mitarbeit am Förderkonzept der Deutschen Sporthilfe oder an neuen Strukturen im Fechter-Bund. In den letzten Jahren musste ich schmerzlich lernen, dass die Mühlen langsam mahlen. Wenn man einen Missstand erkannt hat, dann will man etwas ändern mit unmittelbarem Erfolg. Aber wie in der sportlichen Entwicklung braucht das seine Zeit. Der Anti-Doping-Kampf beispielsweise ist mühsam und mitunter immer wieder frustrierend. Man muss trotzdem dran bleiben. Grundsätzlich macht mir die Arbeit Spaß, weil der Sport und die anderen Sportler mir am Herzen liegen und ich mich mit einbringen will. Ich musste nur lernen, dass ich mir kleine Etappen als Ziel setzen muss, kleiner, als man sich diese vor Beginn der Amtszeit hätte vorstellen können. Von daher werde ich auch noch eine Weile dabei bleiben, um etwas bewegen zu können.
Sportart: Fechten/Säbel
Wohnort: Friedrichshafen/Dormagen
Verein: TSV Bayer Dormagen
Studium: Soziologie, Politik und Wirtschaft
Universität: Zeppelin-Universität Friedrichshafen
Die Deutsche Bank unterstützt im Rahmen der Sporthilfe-Förderung studierende Spitzenathleten mit 400 Euro im Monat. Aktuell profitieren rund 400 Sporthilfe-geförderte Athleten vom Programm, das mit dem dritten Semester einsetzt und mit einem Zeitbonus über die Regelstudienzeit hinaus gewährt wird. Die besonderen Leistungen der studierenden Athleten sollen mit der Wahl zum Sport-Stipendiat des Jahres zusätzlich herausgestellt und gewürdigt werden. Der Preisträger erhält für 1,5 Jahre von der Deutschen Bank den doppelten Stipendiumsbetrag von 800 Euro pro Monat. Die weiteren vier Finalisten erhalten für den gleichen Zeitraum eine Zusatzförderung in Höhe von 200 Euro pro Monat.
Diese Sporthilfe-Athleten stehen zur Wahl: Carina Bär (Rudern/Humanmedizin), Anna-Lena Forster (Ski alpin, paralympisch/Psychologie), Maximilian Hartung (Fechten/Soziologie, Politik und Wirtschaft), Lisa Mayer (Leichtathletik/Germanistik und Geographie), Maximilian Reinelt (Rudern/Humanmedizin). Bis zum 24. Juli kann jeder unter www.sportstipendiat.de den Nachfolger von Sophia Saller, Triathletin und Mathematik-Studentin in Oxford, wählen. Unter allen Teilnehmern des Online-Votings wird eine Deutsche Bank SparCard mit einem Guthaben von 500 Euro verlost. Die feierliche Preisverleihung findet am 22. September 2016 in der Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt am Main statt.