
Die 34-Jährige hat bereits vier Goldmedaillen bei den Deaflympics gewonnen und wird seit 15 Jahren von der Sporthilfe unterstützt. Darauf angesprochen empfindet die erfolgreiche Tennisspielerin vor allem eines: Dankbarkeit. Ein Porträt über Durchhaltevermögen, Leidenschaft und unsichtbare Hindernisse.
Wenn Heike Albrecht-Schröder über Tennis spricht, spürt man sofort, was es für sie bedeutet. „Ich war vier Jahre alt, als ich mit dem Sport begonnen habe. Meine Eltern haben hobbymäßig gespielt und ich wollte auch einen Tennisschläger in die Hand nehmen und einfach mitmachen“, erinnert sie sich und lächelt. Heute, rund drei Jahrzehnte später, gehört sie zu den erfolgreichsten Tennisspielerinnen im internationalen Gehörlosensport.
Nun reist sie zu ihren fünften Deaflympics nach Tokio. Viermal war sie schon dabei – Australien, Taiwan, Bulgarien, Brasilien – und stand dort mehrfach ganz oben auf dem Treppchen: Bislang gewann sie vier Gold- und zwei Silbermedaillen, im Einzel und im Mixed an der Seite ihres langjährigen Doppelpartners und ebenfalls Sporthilfe-geförderten Athleten Urs Breitenberger. „Die Deaflympics sind die Olympischen Spiele für Menschen mit Hörschäden. Es ist für uns das absolut Größte.“
Heike arbeitet als studierte Pädagogin hauptberuflich in der Frühförderung. Sie betreut Familien, in denen Kinder oder Eltern Hörbeeinträchtigungen haben. „Viele wissen am Anfang gar nicht, wohin. Ich begleite sie – spielerisch, psychologisch und mit Erfahrungen aus dem eigenen Leben.“
Denn Heike kennt die Herausforderungen natürlich aus eigener Erfahrung: geboren mit einer Hörschädigung, aufgewachsen in einer hörenden Familie, ohne Gebärdensprache. Ihre Eltern entschieden sich bewusst für den lautsprachlichen Weg. „Meine Mutter hat das mit mir jeden Tag geübt. Wenn ich etwas richtig ausgesprochen habe, gab’s Schokolade. Das war unsere Methode“, erzählt sie lachend. Gebärdensprache hat sie erst später erlernt.
Wenn Heike spricht, vergisst man schnell, dass sie eine Behinderung hat. „Gehörlos zu sein ist eine Behinderung, auch wenn man sie nicht sieht. Ich rede normal, oft könnte man denken, dass ich etwas nicht verstehe, weil vielleicht die Nebengeräusche zu laut sind oder bei einem Videocall die Verbindung schlecht ist. Aber das ist nicht der Fall, sondern ich habe eine Behinderung. Im Alltag wie im Sport wird die Hörschädigung oft übersehen.“
Die erfolgreiche Athletin wünscht sich, dass Gehörlosensportlerinnen und -sportler stärker in die paralympischen Strukturen eingebunden werden: gleiche Förderung, gleiche Sichtbarkeit.
„Wir sind irgendwie im Nebel – zwischen Olympia und Paralympics. Deshalb bin ich so dankbar, dass die Sporthilfe auch den Gehörlosensport unterstützt.“
Der Weg zum sportlichen Erfolg war lang – und teuer. Tennis erfordert Turnierreisen, Trainerinnen und Trainer, Ausrüstung. „Gerade im Gehörlosensport gibt es kaum Strukturen oder Unterstützung. Die meisten wissen gar nicht, dass wir neben dem paralympischen Sport noch existieren. Das ist schade“, bedauert sie. „Ich arbeite 30 Stunden pro Woche und trainiere zusätzlich zehn bis fünfzehn Stunden.“

Heike spielt zu 80 Prozent Turniere bei hörenden Spielerinnen, weil es im Gehörlosensport kaum Wettkämpfe gibt. „Wir haben Deutsche Meisterschaften und ein internationales Turnier. Mehr nicht. Es gibt kaum gehörlose Spielerinnen in Deutschland – vielleicht drei, vier. So erfolgreich wie ich ist aber keine.“ Wenn sie bei Gehörlosen-Turnieren antritt, zieht sie ihre Hörgeräte aus, wie alle anderen auch. So soll Chancengleichheit herrschen, denn Hörschäden haben eine sehr weite Spanne. „Beim Tennis ist der Klang des Balls unglaublich wichtig – beim eigenen Schlag und bei der Gegnerin. Hörende nehmen das unbewusst wahr. Ich muss alles mit den Augen aufnehmen. Das ist viel anstrengender und kostet mehr Konzentration.“
Seit 2005 wird Heike von der Sporthilfe unterstützt. „Ich wurde eigentlich von Anfang an gefördert. Ich war bereits zwei Mal Sporthilfe Juniorsportlerin des Jahres in der Kategorie Gehörlosensport, war auf zahlreichen Events und beim Sporthilfe Club der Besten in der Türkei dabei. Das sind immer wieder große Highlights für mich. Ich bin sehr stolz, Teil der Sporthilfe-Familie zu sein.“ Besonders in schwierigen Phasen, etwa nach Verletzungen, habe ihr die Unterstützung Halt gegeben. „Die Sporthilfe hat mich weiter gefördert, auch als ich nicht auf dem Platz stehen konnte. Das gibt Sicherheit. Tennis ist teuer, und die Unterstützung der Sporthilfe Gold wert.“
Ihr bislang wichtigster Erfolg? „Die Goldmedaille bei den Deaflympics in Brasilien. Da kam ich gerade aus einer Verletzung zurück und wusste nicht, ob ich meinem Körper wieder vertrauen kann. Und dann habe ich das Ding gewonnen. Ich war so stolz – auf mich, auf meinen Körper.
Das war der Moment, der mir gezeigt hat: Man kann es schaffen.“
Auch in diesem Jahr fährt Heike als aussichtsreiche Kandidatin nach Tokio. „Aber erstmal die erste Runde überstehen und reinkommen“, sagt sie. Trotz ihrer zahlreichen Erfolge möchte sie die Erwartungen nicht zu hoch ansetzen.
Nicht nur im Sport, sondern auch in ihrem Beruf ist Heike ein Vorbild – für Kinder, Eltern und Familien, die mit einer Hörbeeinträchtigung leben. „Den Familien, mit denen ich arbeite, zeige ich, dass man auch mit Hörschädigung etwas erreichen kann. Wir gehören dazu – im Sport, im Alltag, überall.“
