Skilangläufer Nils Kolb hat seine persönliche Sportkarriere vor drei Jahren hintenangestellt, um als Vorläufer des sehbehinderten Parasportlers Lennart Volkert zu fungieren und mit ihm gemeinsam in die absolute Weltspitze vorzustoßen. Dafür hat er sogar seinen Studienort der Physik von Innsbruck nach Freiburg verlegt, wo das Duo trainiert. Aktuell streben Volkert und Kolb, die in diesem Jahr WM-Silber mit der Staffel und zweimal Silber bei der Universiade gewannen, im Skilanglauf und Biathlon die Qualifikation für die Paralympics 2026 in Italien an.
Nils, Du trägst als Vorläufer für einen sehbehinderten Para-Skiläufer eine riesige Verantwortung. Wie wichtig ist da auch ein gutes privates Verständnis?
Die Symbiose muss auf jeden Fall passen. Lennart und ich unternehmen auch privat Dinge miteinander, sind Freunde. Wir waren zum Beispiel zwei Wochen gemeinsam in Alaska, wo ich in einem Auslandssemester an der Highschool war. Dort haben wir viele Wander- und Hüttentouren unternommen, bei denen ich ihn auch navigiert habe. Und er hat sich vor Kurzem ein Tandem gekauft, mit dem wir drei Tage auf Bikepacking-Tour waren.
Du hast vorher selbst Leistungsskisport betrieben. Wie fühlt es sich an, dass Deine eigene Leistung per se nicht mehr im Vordergrund steht?
Es ist mir tatsächlich gar nicht so schwergefallen – vielleicht, weil ich das Zusammenspiel mit Lennart von Anfang an als Teamsport gesehen habe. Ziel ist es, dass der sehbehinderte Athlet in seiner Bestzeit das Rennen absolvieren kann. Und auch wenn mir der Langlauf vorher schon viel Spaß gemacht hat, hat dieser Teamgedanke ihm noch eine zusätzliche attraktive Komponente gegeben.
Auf welchem Level warst Du vorher selbst unterwegs? Und wie kam es zum Kontakt mit dem Parasport?
Schon recht ambitioniert. Ich war in der Jugend immer unter den Top Fünf meines Jahrgangs in Deutschland. Mein Trainingszentrum lag im Schwarzwald, genau dort, wo auch die Para-Athleten und -Athletinnen ihren nationalen Stützpunkt haben. Dort wurden immer mal Trainingsaushilfen als Vorläufer gesucht. Das hat bei mir gleich gut funktioniert und so wurde ich bald auch zu Wettkämpfen eingeladen.
Und mit Lennart war das gleich ein Match?
Ja, nach einem Lehrgang in Livorno sind wir in dem Winter gleich den Weltcup gemeinsam gelaufen. Wir haben ein gutes Vertrauensverhältnis.
Er muss das Gefühl haben, in jeder Abfahrt mitgehen zu können und sich mit den Anweisungen sicher zu fühlen.
Wie wichtig ist für Dich die Unterstützung durch die Sporthilfe und das Deutsche Bank Sport-Stipendium?
Die Unterstützung der Sporthilfe sowie das Deutsche Bank Sport-Stipendium sind für mich essenziell, um Studium und Leistungssport auf höchstem Niveau miteinander zu vereinbaren. Sie gibt mir die Freiheit, mich auf meine ambitionierten Ziele zu konzentrieren – ohne dabei Kompromisse in Studium oder Sport eingehen zu müssen.
Was hat dieser „neue Sport“ mit Dir gemacht?
Ich laufe seitdem viel reflektierter. Ich muss ja meinem sehbehinderten Athleten auch alle Techniken vorgeben. Dafür muss ich bestimmen, wo welcher Laufstil am effizientesten ist und welche Faktoren das beeinflussen. Vorher habe ich meine eigenen Technikwechsel ohne Überlegung gemacht. Jetzt wäge ich alles immer ganz genau ab.
Ist diese sehr analytische Herangehensweise auch für die Wahl des Physik-Studiums verantwortlich gewesen?
Naturwissenschaften haben mich eigentlich schon immer interessiert. Allerdings war mir in der Schulzeit noch nicht klar, dass es ein Physikstudium werden würde. Das Besondere an der Physik ist aber, dass sie die Grundlagen liefert, um die Natur zu beschreiben. Und es ist heute wichtiger denn je, dass wir diese Grundlagen verstehen. Das gilt insbesondere für den Klimawandel – ein Thema, mit dem ich mich vielfältig auseinandersetze. Zunächst versuche ich selber ressourcenschonend zu lebend. Dazu gehört für mich zum Beispiel, nur mit dem Rad in Freiburg unterwegs zu sein oder eine vegetarische Ernährung. Darüber hinaus hat der Klimawandel einen großen Einfluss auf den Wintersport.
Auch wir als Trainingsgruppe müssen uns Gedanken machen, wie wir unsere Treibhausgasemissionen minimieren können.
Zurzeit studieren Lennart und Du noch beide in Freiburg. Du hast fürs Masterstudium aber andere Pläne…
Das stimmt. Ich möchte dann Atmosphärenwissenschaften und Meteorologie in Innsbruck studieren. Das wird dann schwierig für uns als Trainingspaar. Aber aktuell ist das noch Zukunftsmusik. Zurzeit stehen die Winter-Paralympics 2026 als großes Ziel voll im Fokus.
Wenn Du auf Deinen sportlichen Wechsel schaust, was hat er in Dir auch anderweitig verändert?
Es hat mir bewusst gemacht, dass man Menschen, die man nicht so gut kennt, unvoreingenommener begegnen sollte, weil man ihnen ihre Einschränkungen oft nicht ansieht. Ich versuche, neuen Leuten rücksichtsvoller entgegenzutreten und zu hinterfragen, was diese Person vielleicht gerade durchmacht oder durchgemacht hat.
Das Interview führte Christoph Plass. Abdruck honorarfrei mit Quellenangabe „Sporthilfe“.
Nils Kolb (*09.12.2002)
Sportart: Para-Ski Nordisch
Sporthilfe gefördert seit: 2017
Größter Erfolg: WM-Silber 2025
Verein: Sportverein Kirchzarten
Studium: Physik
Hochschule: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Die Deutsche Bank, seit 2001 Partner und seit 2008 Nationaler Förderer der Sporthilfe, vergibt gemeinsam mit der Stiftung bereits zum 13. Mal den Titel „Sport-Stipendiat des Jahres“. Sie unterstützt damit aus tiefer Überzeugung junge Menschen, Leistungssport und berufliche Perspektiven miteinander zu vereinbaren und ihre Ziele sowohl im Spitzensport als auch an der Hochschule zu erreichen. Die Deutsche Bank verdoppelt der Siegerin oder dem Sieger das monatliche Stipendium für 18 Monate von 300 Euro auf 600 Euro. Die anderen vier Nominierten erhalten für den gleichen Zeitraum die Hälfte des Betrags als Zusatzförderung.