Max Jehle vor den Deaflympics im Sporthilfe-Interview: „Beim Radfahren bin ich in meiner eigenen Welt“

Max Jehle ist Radsport-Weltmeister im Zeitfahren im Gehörlosensport. Kurz vor seiner ersten Teilnahme an den Deaflympics spricht er über seinen Weg in den Radsport, die besonderen Herausforderungen als gehörloser Athlet – und seinen Traum von einer Medaille. 


Dass Max heute zu den besten gehörlosen Radsportlern der Welt zählt, war ursprünglich gar nicht der Plan. Seine Familie ist Motorcross-verrückt: Max‘ Vater war darin sehr erfolgreich, der Uropa hat einen eigenen Verein gegründet. „Ich bin jetzt irgendwie in eine ganz andere Richtung abgebogen“, lacht Max. Ein Rennrad hat er sich anfangs nur zum Spaß gekauft. Ein Freund wollte ihn spontan zu einer Veranstaltung am Bodensee für Gehörlosensportlerinnen und -sportler mitnehmen. „Ich dachte mir, da kann ich ja mal mitmachen, kann ja nichts passieren.“ Auf Anhieb wird er dort Dritter und erkennt sein Talent. „Das hat mich angespornt“, blickt Max heute zurück. „Ich bin ja nur nach Lust und Laune gefahren und war dann letztendlich gar nicht so schlecht. Deshalb dachte ich mir, wenn ich das strukturierter mache – da kann dann ja schon was bei rumkommen.“ 

Das war 2017. Heute, acht Jahre später, ist Max Weltmeister. Und steht nun kurz vor seinem nächsten Karrierehighlight: Die Teilnahme an den Deaflympics. Mit seinem WM-Sieg im vergangenen Jahr in Polen hat er sich für das Großereignis qualifiziert – und nun ein volles Programm vor sich: Auf dem Rennrad startet er im Sprint, Zeitfahren, Punkterennen und Straßenrennen. Mit dem Mountainbike tritt er zusätzlich im Shorttrack und Cross Country an. „Die besten Chancen rechne ich mir im Zeitfahren aus. Da möchte ich ganz oben auf dem Treppchen stehen“, sagt er selbstbewusst. 

Im Alltag und im Training trägt Max ein Hörgerät. In Wettkämpfen startet er sowohl mit gehörlosen als auch mit hörenden Athleten. Was daran der große Unterschied ist? „Gar nicht so viel, wie man vielleicht denkt. Ich kann viel ausblenden, beim Radsport bin ich sozusagen in meiner eigenen Welt – egal, ob mit hörenden oder gehörlosen Sportlern.“ Schwierig wird es jedoch, wenn Nebengeräusche laut sind oder der Wind besonders stark ist. „Das stört die Kommunikation bei Gruppenausfahrten.“

Und kann auch mal gefährlich werden: „Die Konzentration ist dann zu sehr auf dein Gegenüber gerichtet. Insbesondere wenn man versucht vom Mundbild abzulesen, dann schaut man gegebenenfalls nicht nach vorne und fährt jemandem auf. Deshalb trainiere ich oft alleine in meinem eigenen Tempo“, erklärt Max. In Gehörlosengruppen hingegen funktioniere die Verständigung dank Gebärdensprache auch bei lauten Nebengeräuschen und starkem Wind problemlos. 

Für Max soll das Multisportevent ein ganz besonderer Höhepunkt seiner bisherigen sportlichen Laufbahn werden. 

„Bei den Deaflympics zu fahren, ist etwas Einzigartiges. Ich war noch nie bei dem Event, das ist Neuland für mich. Ich freue mich auch, dass es in Japan stattfindet. Da lernt man eine ganz neue Kultur kennen, alles ist anders. Ich lasse mich überraschen!“ 

Mit dem Mountainbike fahren die Athletinnen und Athleten in der Disziplin Cross Country den gleichen Strecken-Cours wie die Radsportlerinnen und -sportler 2021 bei den Olympischen Spielen in Tokio. „Darauf freue ich mich ganz besonders.“ Auch wenn das bedeutet, dass die Radausscheidungen – genau wie 2021 – außerhalb von Tokio stattfinden werden. Ein Dämpfer, wie Max findet, der gerne noch mehr internationale Sportlerinnen und Sportler der anderen Sportarten kennenlernen möchte. „Auch in unserem Hotel ist deshalb nur der Radsport untergebracht. Das finde ich schade.“ 

Seit Anfang des Jahres gehört Max dem Talent-Team der Sporthilfe an und ist zudem Teil der Nachwuchselite-Förderung, die von der DFL Stiftung als Premium-Partner der Sporthilfe finanziert wird. Eine Unterstützung für die er sehr dankbar ist. „Die Workshops und Trainings bei den Nachwuchselite-Treffen haben mir viele neue Einblicke gegeben, zum Beispiel in die Neuroathletik oder im Medientraining. Das ist für mich als Sportler unglaublich wertvoll – für die Unterstützung der Sporthilfe bin ich sehr dankbar.“ 

Seine Motivation ist klar:

„Harte Arbeit zahlt sich irgendwann aus. Es passiert nicht von heute auf morgen, aber irgendwann zahlt es sich aus.“ 

Wer weiß, vielleicht ja schon bei den Deaflympics in Tokio.


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