Der Klimawandel geht alle etwas an, auch den Spitzensport. Besondes sichtbar wird das im Wintersport und auch bei den bevorstehenden Olympischen Winterspielen in Peking. Mehr und mehr Sporthilfe-geförderte Athlet:innen machen es sich zum Ziel, mit Nachhaltigkeitsinitiativen Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen und zu einem gesellschaftlichen Wandel beizutragen.
Das Jahr 2021: Bei verheerenden Überschwemmungen in Deutschland, bei schweren Waldbränden in Südeuropa und Hitzeperioden in Nordamerika wurde der Welt drastisch vor Augen geführt, welche Auswirkungen der Klimawandel für Mensch und Natur hat. Getroffen hat es auch die berühmte Kunsteisbahn in Schönau am Königssee, die bei den Unwettern im Sommer fast völlig zerstört wurde. Das zeigt: Alle gesellschaftlichen Bereiche sind von dem Überthema unserer Zeit betroffen, auch der Spitzensport, der sich wegen lange vermisster Bestrebungen in Richtung Nachhaltigkeit immer häufiger der Kritik stellen muss.
Denn sportartenübergreifender Gigantismus, allen voran bei den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking, künstlich heruntergekühlte Eisflächen, Skirennen im Oktober auf mit Kunstschnee bedeckten Gletschern – all das scheint völlig aus der Zeit gefallen. Inzwischen gibt es erste Initiativen und Selbstverpflichtungen von Verbänden. Stefan Wagner, der mit seiner Agentur Nachhaltigkeits- und Kommunikationsstrategien entwickel, sagt:
„Es gibt gerade viel Tempo, aber es gibt immer Luft nach oben. Der Sport kann noch viel stärker in das Thema Nachhaltigkeit gehen.“
Impulse kommen derzeit vor allem aus den Reihen der Athlet:innen. Wagner hat die Initiative „Sports for Future“ gegründet, die angelehnt an „Fridays for Future“ Klimaprojekte aus dem Sport fördert und ihnen eine starke Stimme geben will. Wagners Erfahrung: Viele Athlet:innen haben bereits gute Ideen oder bringen sogar schon eigene Projekte an den Start. Oftmals fehlt es ihnen aber an Kapazitäten, Aufmerksamkeit oder schlicht an den nötigen Kontakten. Eines der ersten Projekte hierzulande war der „Hockey-Wald“ der Damen-Nationalmannschaft. Anfang 2020 pflanzten die „Danas“ gemeinsam mit einer Stiftung in Südafrika Bäume, um die durch ihre Reisen entstehende CO2-Belastung der Atmosphäre zu mindern. Damit inspirierten sie gleich verschiedene Athlet:innen aus anderen Sportarten.
Es gibt etwa den „Ruderwald“, ins Leben gerufen von den beiden Sporthilfe-geförderten Ruderinnen Ronja Fini Sturm und Carlotta Nwajide, oder das Projekt „BadmintONEarth“, gegründet von den Badminton-Assen Miranda Wilson und Kai Schäfer. „Wir hatten schon länger überlegt, wie wir im Badminton-Sport unseren Teil beitragen könnten. Der Hockey-Wald war letztlich die Inspiration für uns zu sagen, die ‚Danas‘ machen etwas, dann können wir das Thema auch angehen“, sagt Olympia-Teilnehmer Schäfer.
Sie wandten sich an „Sports for Future“, Gründer Wagner verknüpfte sie mit einer Stiftung, die sich in Afrika für nachhaltige soziale Projekte einsetzt. Mit den Spenden wurden im Kongo Obstbäume gepflanzt sowie ein mobiler Solar Rucksack für die Stromversorgung an einer Schule erworben. „Das war ein erster Schritt. Auf Dauer wollen wir vor Ort noch mehr Dinge anpacken“, sagt Schäfer. Er ist Nachhaltigkeitsbeauftragter seines Verbands. In seiner Bachelor-Arbeit will der BWL-Student, der 2008 erstmals von der Sporthilfe gefördert wurde, darüber schreiben, wie Sportverbände das Thema Nachhaltigkeit angehen.
Eigeninitiativ war auch Carina Wimmer tätig, Europameisterin mit der Luftpistole und Olympia-Zehnte in Tokio. Sie studiert in München Gesundheitswissenschaften und arbeitet nebenbei bei einer Innovationsberatung. Der Nebenjob dort gab auch den Anstoß für ihr Klimaprojekt „Athletes4Climate“, ebenfalls in Kooperation mit „Sports for Future“. Wimmer qualifizierte sich erst spät für Tokio, musste deswegen viel fliegen: „Das wollte ich kompensieren – aber nicht nur für mich allein, sondern mit einer Klimabörse bei den Olympischen Spielen.“ Mehrere Olympia-Teilnehmer:innen schlossen sich ihrer Initiative an, stellten exklusive Prämien zur Verfügung.
Auffällig häufig sind Initiativen wie diese bislang im Sommersport zu finden. Die stärkste kritische Stimme aus dem Wintersport, der am meisten auf Natur und Klima angewiesen ist, erhebt ein ehemaliger Athlet – Felix Neureuther. Er kritisierte massiv den frühen Saisonauftakt seiner Sportart Ski-alpin, forderte, Olympische Spiele müssten „ganz klar nachhaltiger werden, sonst werden sie aussterben“ und nahm Stellung zur Schweigsamkeit seiner Nachfolger:
„Ich höre oft den Satz: Ich muss mich auf meinen Sport konzentrieren. Trotzdem halte ich es für extrem wichtig oder auch für eine Pflicht, dass sich gerade erfolgreiche Sportler zu solchen Themen äußern.“
Julian von Schleinitz, ehemaliger Rodler vom Königsee, promoviert in Data Science und baut mit seiner Partnerin Carina Hock ein Start-up für künstliche Intelligenz auf, das Anfang 2021 sogar zur Wahl stand als „Sporthilfe Start-up des Jahres“. Er hofft, auch mit solchen Methoden künftig einen Teil zur Problemlösung beitragen zu können. Etwa, wenn es um den Wiederaufbau seiner Heimbahn am Königssee geht, 53,5 Millionen Euro sind dafür eingeplant.
Hierbei gibt es Chancen, die Bahn nachhaltiger, klima- und energieeffizienter zu machen, glaubt der 30-Jährige. Er ist wie Sportschützin Carina Wimmer Teil des Innovation Hub Spitzensport, gegründet von der Innovationsmanufaktur zusammen mit dem Bundesinstitut für Sportwissenschaft, den Wissenschaftskoordinatoren der Spitzensportverbände und früheren Athlet:innen. Der Hub fördert Innovationen, die direkt aus dem Sport heraus kommen und nicht aufoktroyiert werden.
„Es braucht noch mehr Leuchtturmprojekte. Man muss den Sportlern zeigen, was man selbst mit überschaubarem Aufwand erreichen kann“,
sagt von Schleinitz. Ist der kritische Punkt erst einmal erreicht, dann „wird es hoffentlich Standard, dass Athlet:innen klimaneutral zu den Olympischen Spielen reisen“.
(Veröffentlicht am 28.12.2021)
Erschienen im Sporthilfe-Magazin go!d - Ausgabe (3/2021)