Frühere Juniorsportler:innen des Jahres: Shanice Craft, Francesco Friedrich und Elena Krawzow

Seit über 40 Jahren ehrt die Sporthilfe die Juniorsportler des Jahres, unter ihnen spätere Sportikonen wie Michael Groß, Katja Seizinger, Franziska van Almsick und Timo Boll. 2020 wird es Corona-bedingt keine Auszeichnung geben – im Schlaglicht daher diesmal: Drei frühere, aber weiterhin aktive Juniorsportler des Jahres.


In ihrer Disziplin sicherte sich Shanice Craft sowohl 2014, 2016 als auch 2018 Bronze bei der EM (Foto: picture alliance).

Corona sorgt bei vielen Athleten für eine Lücke im sportlichen Lebenslauf, bei Shanice Craft hat das Virus sogar Auswirkungen auf ein vermeintliches Medaillen-Abonnement: Gleich dreimal nacheinander – 2014, 2016, 2018 – gewann die Diskuswerferin Bronze bei der EM. Die diesjährige Ausgabe der Kontinentalwettkämpfe wurde allerdings nicht wie die Olympischen Spiele in Tokio verschoben, sondern wegen der Terminknappheit gleich ganz abgesagt. Für die 27-Jährige ist das verschmerzbar, hat sie doch ein größeres Ziel im Blick: Bei Olympia in Japan will Craft eine Medaille auf der ganz großen Bühne gewinnen.

Wie sich das anfühlt, kennt die Tochter einer Deutschen und eines Amerikaners aus der Jugend- und Juniorenzeit: Bei den ersten Olympischen Jugendspielen 2010 in Singapur gewann sie Gold, bei der Junioren-WM zwei Jahre später holte sie Silber mit dem Diskus und Gold mit der Kugel. Für diesen Doppelerfolg ehrte sie die Deutsche Sporthilfe 2012 in Bonn als Juniorsportlerin des Jahres. 

„Bei der Laudatio habe ich gemerkt, dass es vielleicht mich treffen könnte“,

erinnert sich Craft an die Gala bei der Deutschen Telekom. „Da wurden meine Hände schon etwas feucht und die Stimme gefühlt leicht zittrig.“

Was folgte, war eine souveräne Rede auf der Bühne, eine am nächsten Tag beim Empfang im Beethoven- Haus und eine enorme Steigerung des medialen Interesses. Die Mannheimerin hatte damals gerade ihre Ausbildung bei der Bundespolizei angetreten, die ersten Interviews gab sie am Abend noch in der Uniform, die sie bei der Veranstaltung trug. Die Mannheimerin hatte damals gerade ihre Ausbildung bei der Bundespolizei angetreten, die ersten Interviews gab sie am Abend noch in der Uniform, die sie bei der Veranstaltung trug. „Das war alles neu für mich, aber es hat mich auch gefreut, dass es so ein großes Interesse gab“, sagt Craft. Die Gala sieht sie rückblickend als große Anerkennung und als tolles Zeichen für Nachwuchsathleten.

Dieser Kategorie ist Shanice Craft, die seit 2009 von der Sporthilfe gefördert wird, selbstredend mittlerweile entwachsen. Sie hat sich in der erweiterten Weltklasse etabliert – seit einigen Jahren nur noch mit dem Diskus, nicht mehr noch zusätzlich mit der vier Kilo schweren Kugel. Mit der Scheibe verpasste sie 2012 trotz erfüllter Olympia-Norm wegen der starken nationalen Konkurrenz noch die Teilnahme an ihren ersten Olympischen Spielen. 2016 erfüllte sie sich den Traum in Rio, war mit Platz elf aber nicht zufrieden. „Trotzdem war das ganze Drumherum, die Einkleidung, die Atmosphäre, das olympische Dorf, die vielen Sportler aus verschiedenen Nationen ein fantastisches Erlebnis“, sagt die Bundespolizeimeisterin.

„Das möchte ich auf jeden Fall noch einmal erleben.“

Was ihre persönliche Road to Tokyo anbelangt, ist Craft optimistisch. Für viele Sportler sei es anfangs schwierig gewesen zu verstehen, „dass die Welt nicht zusammenbricht, nur, weil ein paar Wettkämpfe abgesagt werden“, sagt sie. Nach dem ersten Schock hat Craft das Corona-Jahr bislang dazu genutzt, ihre Verletzungsprobleme auszukurieren und an ihren Schwächen zu arbeiten. 2021 kann also kommen und 2022 findet in München ja auch wieder eine EM statt – Medaillen soll es am liebsten gleich bei beiden Highlights geben.

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Francesco Friedrich ist ein Mann für Premieren und Rekorde. Ein Auszug: Noch nie war ein Bob-Weltmeister so jung wie der damals 22-Jährige bei seiner Gold-Medaille 2013. Niemals zuvor hielt ein Bobfahrer gleichzeitig die WM-Titel im Junioren- und im Erwachsenen-Bereich. Vor ihm gewann noch niemand mit ein und derselben Crew bei drei aufeinanderfolgenden Großereignissen Doppel-Gold im Zweier und im Vierer. Neun Einzel-WM-Titel sind ohnehin Rekord. Und noch nie lenkte jemand seinen Bob so schnell durch die Bahn wie Francesco Friedrich bei der WM 2019, als für die Crew 157,06 Stundenkilometer gemessen wurden.

Angesprochen auf seine Rekordjagd wiegelt der 30-jährige Ausnahmeathlet gerne ab und verweist auf einen Job, der eben so lange es geht erledigt werde. Wenig überraschend, dass er 2013 auch der erste Bobsportler war, der von der Deutschen Sporthilfe als Juniorsportler des Jahres ausgezeichnet wurde, gemeinsam mit seinem Anschieber Gino Gerhardi in der Kategorie Mannschaft des Jahres. Bei der Verleihung selbst waren beide damals nicht vor Ort, sie waren unterwegs in Sachen Winter. „Kann sein, dass wir damals schon in Sotschi waren, vier Monate vor den Olympischen Spielen“, glaubt Friedrich. Die Sieger-Pyramide bekam er natürlich trotzdem und freute sich im Nachhinein über die „besondere, einzigartige Auszeichnung – und das Signal, dass es jetzt so richtig bei den Erwachsenen losgeht“.

Zum Bobsport gekommen war der Sachse über seinen fünf Jahre älteren Bruder David, ursprünglich Hürdenläufer, der bei einem Stadtfest mehr oder weniger zufällig zum örtlichen Bobverein fand. Francesco, schon immer nur „Franz“ genannt, folgte ihm wenig später nach. Er war damals noch als Mehrkämpfer in der Leichtathletik unterwegs, mit Stärken vor allem im Speerwurf. Die Geschwister-Kombination aus Pilot und Anschieber funktionierte:

Francesco Friedrich wurde im Jahr 2013 zusammen mit Gino Gerhardi als erster Bobsportler von der Deutschen Sporthilfe zum Juniorsportler des Jahres geehrt (Foto: picture alliance).
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Bei der Junioren-WM in Salt Lake City gewannen die Friedrich-Brüder 2011 Silber im Vierer, Francesco zudem erstmals Gold im Zweier. Doch während Bruder David und der 2013 gemeinsam mit Friedrich als Juniorsportler ausgezeichnete Gino Gerhardi ihre Karrieren früh beendeten, nahm der Pilot damals erst Anlauf zu einer Weltkarriere im Eiskanal.

Seine Olympia-Premiere 2014 in Russland beendete er „nur“ auf den Plätzen acht im Zweier und zehn im Vierer, 2018 in Pyeongchang folgte dann der Doppel-Triumph. Inzwischen ist er, wie sollte es anders sein, auf Rekordjagd, steht im Zweier aktuell bei sechs WM-Titeln in Serie, in der Königsdisziplin Vierer sind es drei. Und mit 30 Jahren hat Friedrich, sollte er verletzungsfrei bleiben, im Bobsport noch viel Zeit. Schon heute peilt er die Titelverteidigung beider Olympiasiege in Peking 2022 an, das wäre selbstredend auch wieder eine Premiere. Immer gemeinsam mit seinem Team, denn ein Bobpilot ist immer auch eine Art Teammanager und Klein- Unternehmer. „Das wäre dann schon Wahnsinn“, sagt Friedrich und fügt lachend, aber doch nicht ganz unernst hinzu:

„Ich müsste dann 2026 noch einmal Olympiasieger werden, um die meisten Goldmedaillen im Bobfahren bei Olympischen Spielen zu haben.“

Er würde damit den früheren Anschieber Kevin Kuske überflügeln, der viermal Gold und zweimal Silber auf dem Konto hat – zuzutrauen ist es Friedrich allemal.

Über sehr gute Schwimmerinnen und Schwimmer heißt es oft, das Wasser sei ihr Element. Elena Krawzow, die als Vollzeitsportlerin überproportional viel Zeit im Becken verbringt, aber kann über diese vielstrapazierte Metapher nur lächeln – an Land fühlt sich die Juniorsportlerin des Jahres 2013 in der Kategorie Behindertensport schon immer wohler als im Wasser. Trotzdem hat sie es in die absolute Weltspitze geschafft: Mit viel Fleiß und Ehrgeiz und offenbar auch mit mehr Talent, als ihr im Teenie-Alter zugestanden worden war.

Im Alter von sieben Jahren fiel bei der gebürtigen Kasachin der Sehnerv aus, durch eine Erbkrankheit konnte sie schon bald kaum noch etwas sehen. Mit zwölf Jahren kam die Familie nach Deutschland, Elena ging auf eine Privatschule für Blinde und Sehbehinderte in Nürnberg und lernte dort erst mit 13 Jahren schwimmen. Sie habe damals „gepaddelt wie ein Hund“, sagt Krawzow, und so verwundert es kaum, dass ihr keine Karriere im Leistungssport zugetraut wurde. Für Elena Krawzow ein umso größerer Anreiz. Heute ist die 26-Jährige amtierende Weltmeisterin, Inhaberin von vier Weltrekorden und eine heiße Anwärterin auf Gold in Tokio. Ganz nebenbei qualifizierte sie sich mit ihrer Saisonbestleistung über 100 Meter Brust in diesem Jahr für die Deutsche Meisterschaft der Nicht-Behinderten.

Krawzows Stern ging bei den Paralympics 2012 in London auf, für die sie sich gerade so eben qualifiziert hatte und dann mit 18 Jahren sensationell Silber über 100m Brust gewann.

2013 zeichnete die Deutsche Sporthilfe den Shooting-Star in Gelsenkirchen als Juniorsportlerin des Jahres aus. Sie steckte damals mitten in ihrer Ausbildung zur Physiotherapeutin, die große Bühne war ihr völlig fremd.

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Mit viel Fleiß, Ehrgeiz und Talent trainiert Elena Krawzow für die Paralympics 2021. Das Ziel: die Goldmedaille (Foto: picture alliance).

„Im Rückblick liegt das alles ein bisschen wie im Nebel“,

sagt Krawzow. Sie erinnert sich daran, dass sie sehr aufgeregt und gleichermaßen beeindruckt war von den vielen Menschen, die sie mit ihren damals noch sechs Prozent Sehkraft nur schemenhaft wahrnehmen konnte, vom Rummel nach den Paralympics, vom Interesse der Medien an ihrer Person. All das habe sie dazu motiviert, „dass ich dauerhaft zur Weltspitze gehören möchte“.

Krawzow zog nach Berlin und lebte von nun an als professionelle Leistungssportlerin – mit allen dazugehörenden Höhen und Tiefen. Zu den Paralympics 2016 in Rio fuhr sie als Weltrekordlerin und Favoritin, es wurde ein für sie selbst enttäuschender fünfter Platz. Doch mit fünf EM-Medaillen 2018 und dem überlegenen WM-Sieg 2019 kehrte sie in die Weltspitze zurück. „Ich hatte gehofft, dass 2020 mein Jahr wird. Tokio wollte ich auf jeden Fall rocken“, sagt Krawzow. Bis zum neuen Termin versucht sie weiter, über ihre offene Art und die Präsenz in Social Media Menschen für ihren Sport zu begeistern, „Barrieren im Kopf abzubauen“, wie sie selbst sagt, und Interesse bei den Medien zu wecken. Im September zierte sie als erste paralympische Athletin überhaupt das Cover des „Playboy“. Ihren sportlichen Fokus hat sie dabei nicht verloren – denn 2021 soll es dann endlich mit der paralympischen Goldmedaille klappen.

(Veröffentlicht am 23.11.2020)

Erschienen im Sporthilfe-Magazin go!d - Zur kompletten Ausgabe (3/2020)



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