Fotos: Bastian Weidle (2.v.l.) & privat

Fotos: Bastian Weidle (2.v.l.) & privat

Ein Sommer (fast) ohne Schnee und Eis

Wenn der Schnee schmilzt und die Temperaturen steigen, verschwinden viele Wintersportlerinnen und -sportler für ein paar Monate aus dem öffentlichen Fokus. Dass sie aber in der warmen Jahreszeit nicht untätig sind, sondern die Basis für die nächste Saison legen, hat sich herumgesprochen.


Die Athletinnen und Athleten feilen nicht nur in muffigen Fitnessräumen an Kraft und Ausdauer. Dank ganzjähriger Ski- und Eishallen, Sprungparks mit Airbags und Startanlagen für Schlittensportlerinnen und -sportler beginnt bereits im Sommer die erste Feinabstimmung. Ist dieses Mal die Vorbereitung mit Blick auf die Olympischen Winterspiele in Mailand und Cortina im kommenden Februar anders als sonst? Intensiver? Nein, sagt Eisschnellläuferin Josefine Schlörb. „Die Trainer haben schon eine Ansage gemacht. Wir sollen ja nicht anfangen, etwas extra, etwas ganz Besonderes machen zu wollen.“ Ein ganz normaler Sommer also. Fast.

 

Die Umsteigerin

Kathrin Marchand hat bewegte Wochen und Monate hinter und vor sich. Die ehemalige Olympia-Ruderin, die nach einem Schlaganfall vor fünf Jahren in den Para-Sport wechselte, verpasste in Paris im vergangenen Jahr knapp eine Medaille. Die Enttäuschung über Platz vier war noch nicht ganz verarbeitet, da kam das Angebot, auf Skilanglauf umzusteigen. Sie hat nicht lange gezögert.

„Die Luft war raus, da brauchte ich neue Ziele.“ 

Ganz lässt das Rudern die 34-jährige Kölnerin aber noch immer nicht los, deshalb trainierte sie nach ihrer ersten Wintersaison noch parallel für die EM im Wasser Ende Mai und holte in Plovdiv im Para-Mixed-Doppelzweier zusammen mit Valentin Luz Gold.

Aber nun liegt der Fokus wieder ganz auf Mailand, darauf, nach insgesamt drei Sommerspielen – zweimal olympisch und einmal paralympisch – nun auch Winterspiele zu erleben. Ihren Job als Ärztin hat sie gekündigt, arbeitet stattdessen auf Honorarbasis. Leisten konnte sie sich diesen Schritt auch, weil sie als Top-Team-Athletin von der Sporthilfe 800 Euro im Monat sowie 250 Euro Zuschuss für die Rentenversicherung erhält. Marchand wird mit einer Unterbrechung seit 2008 gefördert. Nicht nur die finanzielle Unterstützung schätzt sie, sondern auch die Angebote aus der Kompetenzförderung. Zuletzt hat sie an einem Speaker-Training teilgenommen, davor das Steuerseminar besucht.

Kathrin Marchand – vom Rudern zum Skilanglauf

Zwar war Langlauf für Kathrin Marchand nicht ganz neu, „aber das letzte Mal stand ich vor 15 Jahren auf Skiern“, sagt sie. „Ich musste erst anfangen, es richtig zu lernen.“ Dafür, stellt sie fest, habe es in den ersten Wettkämpfen „erstaunlich gut geklappt“. Sie hat Deutschland einen Startplatz für Mailand gesichert, aber ob sie nominiert wird, hängt von ihren Leistungen in der kommenden Saison ab.

Kathrin Marchand ist noch immer dabei, die Bewegungsabläufe, die so ganz anders sind als beim Rudern, zu verinnerlichen. Weil die linke Seite seit ihrem Schlaganfall deutlich schwächer ist, falle es ihr noch schwer, beim Diagonalschritt die Verlagerung des Körpergewichts „vernünftig hinzubekommen“. So oft wie möglich fährt sie bis zu den ersten Schnee-Lehrgängen im Freien nach Oberhof, wo die Skihalle den Sportlerinnen und Sportlern auch im Sommer zur Verfügung steht.


Das Kraftpaket

Anders als Kathrin Marchand muss sich Adam Ammour im Sommer mit Trockentraining begnügen. Der Bob-Pilot ist mit seinem Team bereits für die Wettkämpfe auf der neugebauten Bahn in Cortina d’Ampezzo qualifiziert, neben Rekord-Weltmeister Francesco Friedrich und dessen Dauerrivalen Johannes Locher. Sechs Mal die Woche mindestens zwei Stunden am Tag widmet der Sportsoldat, der neben der Top-Team-Förderung der Sporthilfe als WM-Dritter noch 400 Euro aus der Mercedes Benz Elite-Förderung bezieht, der Vorbereitung auf seine ersten Winterspiele. Nicht nur daheim in Gießen, sondern zusammen mit seinem Team, um das im Eiskanal so wichtige Anschieben beim Start zu üben.

Pilot Adam Ammour (rechts) und sein Bruder und Anschieber Issam beim „Trockentraining“.

Bisher meist in Oberhof, weil es dort eine spezielle Anschubanlage gibt, aber künftig vielleicht auch einmal in seiner hessischen Heimat. Sein neuer Verein Eintracht Frankfurt plant, ebenfalls so eine Anlage zu bauen.

Beim Start, sagt der 24-Jährige, „geht es bei uns ums Athletische“. Er selbst hat in der vergangenen Saison festgestellt, dass er da noch besser werden kann. Als ehemaliger Turner, findet er, habe er zwar einen „ganz guten Grundstock“. Er ist ein Kraftpaket mit gutem Körpergefühl. Aber, weiß er, 

„es dauert einige Jahre, bis man an seinem Limit angekommen ist“.

Da sind ihm Friedrich und Lochner noch voraus.



Die Harmonischen

Wie schwierig es ist, Einzel- und zugleich Mannschaftssportlerin zu sein, haben die drei Eischnellläuferinnen Josie Hofmann (28), Lea Scholz (26) und Josefine Schlörb (21) in den vergangenen beiden Saisonen erfahren. Seit Ende 2023 starten sie gemeinsam im „Team Pursuit“, in der Mannschaftsverfolgung über sechs Runden. Der „Sachsenexpress“, wie sie sich selbst nennen, hat sehr gute Chancen, sich für Mailand zu qualifizieren, sehr viel bessere als über die Einzelstrecken. Die drei Top-Team-Geförderten holten im Januar 2024 bei der Europameisterschaft Silber. Überraschend, weil sie zuvor erst ein Rennen zusammen bestritten hatten. Dieser Erfolg, sagt Josie Hofmann, „hat dem Eisschnelllauf in Deutschland gut getan“. Die öffentliche Wahrnehmung der einst so medaillenträchtigen Sportart ist in den vergangenen Jahren gesunken. Aber seit dieser EM, stellte das Trio  fest, stieg die mediale Aufmerksamkeit.

Bei der WM im vergangenen Winter übertrug das Fernsehen den kompletten Teamwettkampf. „Ich weiß nicht, wann es das das letzte Mal gegeben hat“, sagt Lea Scholz. Bei jenen Titelkämpfen verpassten sie dann die erste deutsche WM-Medaille seit 2017 als Vierte nur ganz knapp. Und die Drei sind selbst sehr aktiv, was ihre Vermarktung betrifft. Mit einer Dokumentation über ihren Weg zu Olympia, die bereits angeleiert ist, hoffen sie, noch ein bisschen bekannter zu werden. 

Aber das Hauptaugenmerkt liegt natürlich auf dem Sport, der Vorbereitung auf die neue Saison. Bereits im Juli geht es wieder gemeinsam aufs Eis. Möglich ist dies in der Inzeller Max-Aicher-Halle. Beim „Team Pursuit“, sagt Lea Scholz, komme es auf „das Fine-Tuning“ an. „Wir sind nicht die stärksten Einzelläufer, 

aber wir hatten von Anfang an eine Harmonie im Team“, 

stellt Josie Hofmann fest. Und das muss trainiert werden.

Der „Sachsenexpress“ (v.l.n.r.): Josefine Schlörb, Lea Scholz und Josie Hofmann (Foto: Bastian Weidler)

Die Rückkehrerin

Für Muriel Mohr sieht die Vorbereitung ein bisschen anders aus als geplant. Bei einem Trainingssprung über die Big-Air-Schanze war die Ski-Freestylerin im März gestürzt und hatte einen Kreuzbandriss erlitten. Statt an neuen Tricks und Sprüngen mit höheren Schwierigkeiten zu feilen, pendelt sie in diesem Sommer zwischen Rimsting am Chiemsee und Aschheim bei München, zwischen Reha und ihrem Zuhause.

Dabei hätte sie mit der neuen und ganzjährig zur Verfügung stehenden Landing-Bag-Anlage in Berchtesgaden beste Voraussetzungen, sich optimal auf Olympia vorzubereiten. Dank eines riesigen Airbags, auf dem man landet, müsse man „keine Angst haben, dass verletzungstechnisch was passiert, wenn man etwas Neues ausprobiert“, erklärt Mohr.

Muriel Mohr mit einem „Switch Cork 5“ auf der neuen Landing-Bag-Anlage – vor ihrem Kreuzbandriss (Foto: DSV).

Der Sportdirektor von Snowboard Germany, Andreas Scheid, sprach deshalb von einem „Gamechanger für den Freestyle-Sport in Deutschland“. Mohr musste bisher auf vergleichbaren Anlagen in Österreich trainieren und viel Geld für die Nutzung bezahlen. Im Moment liegt der Fokus der 19-Jährigen, die im zweiten Semester Gesundheitswissenschaft studiert und deshalb neben der Top-Team-Förderung noch das Deutsche Bank Sport-Stipendium und somit 300 Euro zusätzlich erhält, aber darauf, wieder fit zu werden. Immerhin: „Ich mache jetzt gerade mehr als sonst für meine Muskulatur und den gesamten Körper.“ Über den Zeitpunkt ihres Comebacks macht sie sich noch keine Gedanken.

„Ich will mich nicht unter Druck setzen. Wichtig ist mir, dass ich im Januar wieder zwei, drei Weltcups mitfahren kann und dann fit für Olympia bin.“

Bessere Chancen sieht sie für die Winterspiele im Slopestyle, obwohl es im Big Air in der vergangenen Saison besser lief. Da holte sie die ersten beiden Weltcup-Podestplätze in ihrer Karriere. „Im Slopestyle ist das Niveau nicht ganz so hoch und man achtet eher auf den Style als auf die Schwierigkeit“, sagt sie. Im Big Air dagegen „werden vor Olympia plötzlich immer so viele neue Tricks gezeigt. Und da kann ich natürlich nicht mithalten“ – nach einem Sommer in der Reha.


 

Erschienen im Sporthilfe Magazin

Zur Ausgabe 01.2025


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