Oliver Zeidler und Christian Sewing im Interview

Oliver Zeidler und Christian Sewing im Interview

„Deutschland hat viel Potenzial, aber …“

Ruder-Olympiasieger Oliver Zeidler und Christian Sewing, CEO der Deutschen Bank, Nationaler Förderer der Sporthilfe, sprechen über Gemeinsamkeiten in Sport und Wirtschaft, Leistungswillen und was Deutschland wieder stärker voranbringen kann. Auszüge aus dem OMR-Podcast von Philipp Westermeyer.


Christian Sewing und Oliver Zeidler, Ihr seid hier nicht zufällig beisammen, sondern habt eine Sponsoring-Vereinbarung. Wie kam es dazu?

Christian Sewing: Oliver hat mir im November 2023 einen Brief geschrieben, in dem er sein Ziel für die Olympischen Spiele in Paris geschildert hat. Dieser Brief war sowohl emotional und gleichzeitig auch sehr klar formuliert. Das hat mir extrem imponiert, auch, weil es ganz deutlich gezeigt hat, dass Leistung im Sport und in der Wirtschaft enorm viele Parallelen haben. Mir war deshalb sofort klar, hier können beide Seiten sehr voneinander profitieren.

Was stand denn in dem Brief drin, Oliver?

Oliver Zeidler: Ich habe meinen besonderen Weg, den ich Richtung Paris eingeschlagen hatte, beschrieben – abseits von meinem Verband, eigenständig und individuell – und dass ich dafür auf der Suche nach Partnern bin, die zu mir passen und meine Werte, insbesondere Leistungsbereitschaft, teilen. Da lag die Deutsche Bank nahe, auch weil sie Partner der Sporthilfe ist. Davon hatte ich schon profitiert, als ich meinen Master gemacht habe und das Deutsche Bank Sport-Stipendium über die Sporthilfe bekommen habe. Und ich habe meinen Leidensweg nach den Olympischen Spielen in Tokio geschildert…

… wo du Favorit warst, aber nicht gewonnen hast …

… genau, ich bin als Weltmeister nach Tokio gefahren und dort im Halbfinale ausgeschieden. Das war ein großer Rückschlag für mich. Aber danach habe ich die Entscheidung getroffen, weiterzumachen mit dem Ziel, Olympiasieger zu werden.

Welche Lehren hattest Du damals aus der Niederlage gezogen?

Oliver Zeidler: Die ganze Situation, endlich bei Olympia starten zu können, war überwältigend für mich gewesen. Zudem haben mir die Bedingungen in Tokio sehr zu schaffen gemacht. Es war extrem warm und windig und damit auch das Wasser sehr unruhig. Das habe ich nicht so gut wegstecken können wie erfahrenere Athleten. Die Erkenntnis daraus war dann, dass ich mehr auch bei schlechten Bedingungen trainieren muss. Mein Anspruch ist, bei jeden Bedingungen so gut zu sein, dass ich zumindest eine Medaille gewinne. Und mit der Entschlossenheit bin ich dann in die nächsten Jahre des Trainings gegangen.

Was ist das härtere Nadelöhr: Ruder-Olympiasieger zu werden oder CEO der Deutschen Bank?

Christian Sewing: Ich glaube, es ist beides kein einfacher Weg. Um überhaupt die Möglichkeit zu bekommen, in den Vorstand zu kommen, sollte man gewisse Dinge mitbringen.

Das ist auf der einen Seite eine enorme Flexibilität. Ich bin im Risikomanagement groß geworden, bin auf die Geschäftsseite gegangen, war in der Revision tätig. Ich war immer bereit, ins Ausland zu gehen, habe in Tokio, Toronto und London gelebt. Der zweite Punkt: 

 

Man sollte schon etwas mehr machen als der Schnitt. Wenn ich in der breiten Masse mitschwimme, ist die Chance nicht groß, gesehen und rausgefischt zu werden.

 Drittens: In einem Institut wie der Deutschen Bank, in der wir ja kein Produkt wie zum Beispiel ein Auto produzieren, ist es enorm wichtig, dass ich mit Menschen gut umgehen kann und mir das richtige Team um mich herum aussuche. Oliver hat gerade auch etwas ganz Wichtiges gesagt und das zeichnet ihn aus: nach Niederlagen wieder aufzustehen, an sich zu arbeiten und sich wirklich kritisch selbst zu hinterfragen. Resilienz ist auch im Wirtschaftsleben wichtig. Wenn man sich die Geschichte der Deutschen Bank ansieht, dann war das auch nicht nur ein gradueller Aufstieg. Wir hatten, seit ich den Posten übernommen habe, auch enorm schwierige Zeiten und schwere Entscheidungen zu treffen.  

In jeder Rudertrainingseinheit steckt wahrscheinlich eine gehörige Portion Quälerei. Wie viel gibt es davon im Alltag des Chefs der Deutschen Bank?

Christian Sewing: Würde ich meine Arbeit als Quälerei empfinden, würde ich den Job nicht machen. Mir macht es Spaß, dieses Institut zu führen, mir macht es Spaß, für Deutschland das Richtige zu tun. Denn die Deutsche Bank ist auch ein echter Brandname, der in die Welt hinausgeht. Von daher fühle ich da auch eine größere Aufgabe. Um im Wirtschaftsleben erfolgreich zu sein, benötigt man Fokus und Disziplin, Resilienz, ein gutes Team und einen unbedingten Leistungswillen.

Stichwort Leistung: Wie bewertet Ihr diesbezüglich die Bereitschaft in Deutschland, insbesondere der jüngeren Generation?

Christian Sewing: Es wäre unfair, ein Gesamturteil zu fällen, weil es mit Sicherheit ganz viele junge Leute gibt, die Leistung zeigen wollen. Eigentlich haben wir in Deutschland die besten Voraussetzungen. Andere Unternehmen der Welt beneiden uns um unsere Talente, sie beneiden uns auch, und das ist ganz wichtig, um eine stabile Demokratie, um die Hochschulen. Gerade hat ein großer indischer CEO zu mir gesagt: Ihr seid immer noch das Mekka der Ingenieurskunst, aber ihr müsst wieder mehr dafür tun, mehr und anders arbeiten. Wir müssen aber insgesamt konstatieren, dass wir unser Potenzial nicht voll ausschöpfen. Ein Sportler erkennt das und arbeitet daran. Wenn Oliver sagen würde, ich trainiere jetzt mit 25 Prozent weniger Aufwand, dann wird er meines Erachtens nicht mehr Olympiasieger werden.

Wenn wir als Industrienation weiter unter den Top fünf der Welt mitspielen wollen, können wir es mit dem aktuellen Aufwand nicht schaffen. Wir brauchen auch andere Rahmenbedingungen, aber wir brauchen als erstes diese Selbstanalyse, dass wir wieder mehr tun müssen.

Wie ist es beim Rudern: Merkst du, dass die jüngere Generation genauso Lust hat reinzuhauen wie Du?

Oliver Zeidler: 

Es gibt sehr viele junge Talente, die viel Potenzial und auch Einsatzwillen mitbringen. An ihnen liegt es nicht, sondern an den Rahmenbedingungen. Diese müssen anders gestaltet werden, um mit den Top-Nationen wieder wirklich mithalten zu können.

Ruderer Oliver Zeidler sitzt in seinem Boot und streckt jubelnd den linken Arm in die Luft.
Olympiasieger Oliver Zeidler in Paris am Ziel seiner Träume (Foto: picture alliance)

Nach den U23-Jahren, also nach der Uni, sagen zu viele, dass sie sich jetzt lieber auf den Job konzentrieren und Geld verdienen, anstatt ihren Traum, zur absoluten Weltspitze zu gehören, anzugehen. Ich hoffe, dass meine Medaille auch ein bisschen ein Fingerzeig sein kann, dass es doch möglich ist. Aber man muss auch verstehen, dass ein Erfolg, wie der in Paris, sehr viel Zeit und Geld kostet.

Wieviel Geld brauchte es?

Oliver Zeidler: Ein Beispiel: Ich war in Vorbereitung auf die Spiele zum Training auf der Olympia-Strecke, auch dank der Unterstützung der Deutschen Bank. In Paris war es aber ziemlich teuer zu trainieren, dort haben die Franzosen natürlich auch ihr Geschäft gesehen. Insgesamt war ich fünf Wochen vor den Olympischen Spielen in Paris. Allein dafür fiel ein fünfstelliger Betrag an.

Welchen Gegenwert bekommt die Deutsche Bank durch ihr Engagement?

Christian Sewing: Oliver ist für die Deutsche Bank, aber auch für Deutschland ein toller Markenbotschafter. Wir sind eine globale Bank und profitieren enorm von Menschen wie ihm, die unser Land in der Welt repräsentieren. Und nicht nur von Oliver, sondern von vielen weiteren Athleten. Wir finden es klasse, wenn wir Sportler, die neben ihrem Studium Weltklasseleistung bringen, über die Sporthilfe unterstützen können. Viele von ihnen haben nur 400 bis 800 Euro im Monat zur Verfügung. Ich finde, da müssen wir doch als großes Institut unterstützen. Das sehe ich auch als eine gesellschaftliche Verantwortung an, nicht nur die der Deutschen Bank, sondern auch anderer großer Konzerne. Es hilft auch uns. Und es geht dabei nicht nur um externe Markenbotschaft. Der interne Stolz der 90.000 Mitarbeiter, dass wir einen Olympiasieger auf seinem Weg mit unterstützen konnten, dafür brennt die Organisation.

Oliver, hast Du die ganze Arbeit für den Erfolg auch ein bisschen für Deutschland gemacht oder rein für Dich allein und Dein Team?

Oliver Zeidler: Also in erster Linie war es natürlich eine Sache, die mir sehr am Herzen gelegen hat. Ich wollte Tokio vergessen machen. Das war sehr emotional für mich. Von daher war es in erster Linie natürlich für mich, dann fürs Team und zu guter Letzt natürlich auch für Deutschland. Auch wenn ich zuvor eigentlich immer davon überzeugt war, dass Erfolg in unserer Gesellschaft nicht so den Stellenwert hat und manchmal sogar negativ ausgelegt wird.

Foto: picture alliance

Nach meinem Olympiasieg was das ganz anders: Ich habe so viele, durchgehend positive Rückmeldungen von allen möglichen Leuten bekommen, die stolz darauf sind, dass ich die Flaute des deutschen Einer-Ruderns, die ich selbst in Tokio fortgesetzt hatte, in Paris überwinden konnte. Das ist mir sehr nah gegangen. 

Ich glaube, das ist für viele auch ein Hoffnungsschimmer, dass Leistung in Deutschland möglich ist – in meinem Fall im Sport.

Wie groß ist Dein Ehrgeiz diesbezüglich für die zweite, die berufliche Karriere?

Oliver Zeidler: Ich habe immer gesagt, duale Karriere ist wichtig, weil ich den Sport nicht bis ans Ende meines Lebens machen kann – und in einer anderen Position im Sport eigentlich auch nicht machen möchte.

Von daher ist die Wirtschaft auf jeden Fall der nächste Schritt nach der Ruderkarriere. Aktuell bin ich bei meinem Arbeitgeber Deloitte als Consultant tätig. Als Topsportler und aktuelle Nummer eins der Welt bin ich mit dieser Rolle noch nicht zufrieden, denn ich bin nicht der Typ, der sagt, Mittelmaß reicht mir. Ich möchte in meiner beruflichen Karriere Verantwortung übernehmen und etwas gestalten. Deshalb mache ich gerade meinen Master in Lausanne, um den Grundstein zu legen für das, was nach dem Sport kommt.

Dirk Nowitzki hat hier im Podcast einmal gesagt, als Sportler sterbe man zweimal: Am Ende des Lebens, und zum anderen, wenn der Sport vorbei ist. Hast Du Angst davor?

Oliver Zeidler: Es gibt viele Beispiele von Athleten, die nach dem Sport tatsächlich erstmal in eine Depression verfallen. Ich glaube, dadurch, dass ich bis dahin schon einen guten Grundstein gelegt haben werde für eine Karriere nach dem Sport, werde ich mich dann relativ schnell darauf fokussieren, so dass mir das hoffentlich nicht passiert.

Christian, Dein Vertrag wird auch irgendwann enden, machst Du Dir Gedanken, dass Du dann in ein riesiges Loch fällst?

Christian Sewing: Ich kenne Beispiele von Ex-CEOs, die haben damit Schwierigkeiten und welche, die gehen damit einfach fantastisch um. Die allermeisten aber sagen unisono, dass sie es vermissen, CEO zu sein. Denn es ist ein wahnsinnig toller Job mit grandiosen Möglichkeiten, Begegnungen und natürlich auch Privilegien. Es wird deshalb hundertprozentig so sein, dass auch ich es vermissen werde, wenn es so weit ist. Aber aktuell mache ich mir überhaupt keine Gedanken darüber, ich habe nur ein Ziel: Die Deutsche Bank wieder da hinzubringen, wo sie hingehört.

Wo gehört die Deutsche Bank hin?

Christian Sewing: Wenn man in dieser Zeit von Geopolitik und strategischen Krisen und Herausforderungen wirklich darüber nachdenkt, welche Bank die europäische Alternative zu den amerikanischen Großbanken ist, muss wieder der Name Deutsche Bank fallen.

Es mag ambitioniert klingen, aber es muss unser Anspruch sein, der europäische Champion zu sein. Und auf dem Weg sind wir.

Oliver, was sind Deine Ziele für die kommenden Jahre?

Oliver Zeidler: Aktuell möchte ich die Zeit nutzen, um herauszufinden, was ich beruflich möchte, was mir liegt oder wo meine Interessen liegen. 

Und sportlich denkt man als Olympionike natürlich immer in Vier-Jahreszyklen, von daher wären die Spiele in Los Angeles das nächste große Ziel.


Portrait von Oliver Zeidler
Foto: picture alliance

Oliver Zeidler, Jahrgang 1996, ist dreifacher Welt- und Europameister im Rudereiner und krönte seine bisherige sportliche Karriere mit dem Olympiasieg 2024 in Paris. Von der Sporthilfe wird er seit 2018 gefördert, aktuell im Top-Team, und erhielt u.a. das Deutsche Bank Sport-Stipendium, die ElitePlus-Förderung von PwC sowie die Mercedes Benz Elite-Förderung. Parallel zum Sport schloss der gelernte Steuerfachangestellte 2020 seinen Master in Steuerrecht ab. Nach den Olympischen Spielen in Paris traf er mit seinem Arbeitgeber Deloitte eine Sabbatical-Vereinbarung, so dass er aktuell ein weiteres Masterstudium in Business Administration in Lausanne absolvieren kann.

Christian Sewing, Jahrgang 1970, ist seit 2015 Mitglied des Vorstands der Deutschen Bank und seit 2018 dessen Vorsitzender. Die Deutsche Bank ist seit 2001 Partner und seit 2008 Nationaler Förderer der Sporthilfe. Damit ist die Deutsche Bank der größte privatwirtschaftliche Förderer in der Geschichte der Sporthilfe. Im Mittelpunkt des Engagements steht das Deutsche Bank Sport-Stipendium. Mit dem Förderprogramm unterstützt die Deutsche Bank rund 330 studierende Athletinnen und Athleten bei der Vereinbarkeit von Leistungssport und Studium und ermutigt sie, ihre berufliche Entwicklung parallel zur sportlichen Karriere voranzutreiben.

Portrait von Christian Sewing

Die Niederschrift ist eine Zusammenstellung des hörenswerten OMR-Podcasts von Philipp Westermeyer am 13. Oktober 2024. Die Antworten wurden teilweise stark gekürzt bzw. in eine andere Reihenfolge gesetzt. 

Jetzt das gesamte Interview im Original anhören: omr.com/de/daily/oliver-zeidler-und-christian-sewing-omr-podcast

 

Erschienen im Sporthilfe Magazin

Zur Ausgabe 01.2025


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