Immer wieder beenden talentierte Athletinnen und Athleten vor dem Erreichen ihres Hochleistungsalters ihre sportliche Karriere, obwohl sie das Potenzial für Weltklasseleistung mitbringen. Ein Grund: Sie entscheiden sich bewusst für eine berufliche Karriere. Dass es jedoch möglich ist, in beiden Ebenen erfolgreich zu sein, zeigen zahlreiche Beispiele von Mitgliedern des Sporthilfe Alumni-Clubs.
Martin Häner, Olympiasieger mit der Hockey-Nationalmannschaft 2012 in London, ist heute Oberarzt und Leiter des ambulanten OP-Zentrums am Martin-Luther-Krankenhaus in Berlin. 2012 von Sporthilfe und Deutscher Bank für seine herausragenden Leistungen als Weltklasse-Athlet und Medizinstudent zum „Sport-Stipendiat des Jahres“ gekürt, hat der frühere Nationalmannschaftskapitän auch im weiteren Verlauf seines Werdegangs der Auszeichnung alle Ehre gemacht. Martin Häner – ein Paradebeispiel für Leistung in Spitzensport und Beruf, aber längst nicht das einzige.
Schaut man sich die Mitgliederliste des Sporthilfe Alumni-Clubs, der in diesem Jahr seinen 25. Geburtstag feiert (siehe Infokasten), an, finden sich zahlreiche Biografien von ehemaligen Spitzenathletinnen und -athleten, die ihren Weg nicht nur im Sport, sondern auch im Beruf gemacht haben. So unterrichten beispielsweise Schwimm-Olympiasieger Michael Groß oder die Olympiadritte im Judo, Laura Vargas Koch, an Universitäten den akademischen Nachwuchs in digitaler Transformation bzw. Mathematik. Verena Bentele, zwölfmalige Paralympicssiegerin im Biathlon und Skilanglauf, leitet seit 2018 als Präsidentin den größten deutschen Sozialverband VdK. Eberhard Gienger, Reck-Weltmeister von 1974, agierte nach seiner Sportkarriere erfolgreich als Werbemanager und saß von 2002 bis 2021 im Deutschen Bundestag.
Und auch im Unternehmertum haben sich ehemals geförderte Athleten einen Namen gemacht, so etwa der frühere Hockey-Nationaltorwart Andreas Arntzen als Gründer mehrerer Digitalfirmen, wie des Online-Dating-Portals Parship und radio.de. Seit 2016 bringt er als CEO des Wort & Bild Verlags unter anderem die „Apotheken Umschau“ heraus, mit knapp zehn Millionen Exemplaren das zweitauflagenstärkste Magazin Deutschlands. 2022 wurde Arntzen vom Medienmagazin kress pro zum „Medienmanager des Jahres“ gekürt.
Mit Start-ups sind die Brüder Stefan und Erik Pfannmöller, Olympia-Dritter und Weltmeister im Kanuslalom, nach ihren sportlichen Karrieren in der Business-Welt durchgestartet und bauten millionenschwere Unternehmen auf. Wer Geldverdienen als Messlatte beruflichen Erfolgs ansieht, würden somit den früheren Slalom-Kanuten wahrscheinlich eine weitere, jetzt Business-Medaille um den Hals hängen. Doch ums Geldverdienen gehe es Stefan Pfannmöller dabei nicht. „Die Bedeutung von Kapital ist für mich nicht der Konsum, sondern Unternehmen oder Organisationen aufzubauen, mit denen man etwas verändern kann. Unsere Eltern sind Wissenschaftler, da schaue ich immer neidisch drauf. Sie entwickeln etwas, und können zum Beispiel mit einem Katalysator etwas Positives bewirken.“ Gleichzeitig gebe es aber viele Wege, um die Welt ein bisschen besser zu machen:
„Egal, ob Wissenschaftler, Unternehmer, Künstler oder Sportler – jeder kann in seinem Bereich erfolgreich und damit ein Vorbild sein.“
Auch Paralympicssiegerin Franziska Liebhardt möchte etwas zum Positiven verändern. Die gesellschaftliche Sichtweise, dass berufliche Leistung rein an Geld gemessen wird, teilt sie ebenfalls nicht. „Ich glaube, es gibt viele andere Ebenen, auf denen man erfolgreich sein kann und die mit Geld so gar nichts zu tun haben“, sagt Liebhardt. Für sie sei es beispielsweise viel wichtiger, „wenn meine Stimme gehört wird und ich damit gesellschaftlich etwas verändern kann – in meinem Fall zum Thema Organspende“. Die Leichtathletin musste 2009 aufgrund einer Autoimmunerkrankung lungen- und 2012 nierentransplantiert werden. Dennoch wurde sie Paralympicssiegerin im Kugelstoßen. Nach ihrer sportlichen Laufbahn machte sie sich als Vortragsrednerin einen Namen, und musste ein drittes Spenderorgan, nochmals eine neue Lunge, erhalten. Bereits seit 2019 engagiert sie sich ehrenamtlich im Vorstand von KiO, der „Kinderhilfe Organtransplantation“. Der Verein setzt sich für die lebensrettende Idee der Organspende und für Familien mit organtransplantierten Kinder ein. „Ich glaube, dass es auch als Sportler ganz wichtig ist zu erkennen, dass es im Leben viel wichtigere Erfolge gibt als allein die sportlichen“, sagt Liebhardt.
„Manche Sportler fallen nach ihrer Karriere in ein Loch, weil sie vielleicht das Gefühl haben, sie hätten keine Ziele mehr, da Erfolge nicht mehr so messbar sind.“
Dann, so Liebhardts Überzeugung, helfe es, sich – auch abseits des Berufs – eine andere Aufgabe zu suchen, die einen erfülle und glücklich mache.
Seit 2024 ist Liebhardt Vorstandsvorsitzende von KiO. Damals trat sie die Nachfolge von Vereinsgründer Hans Wilhelm Gäb, auch ehemaliger Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzender der Sporthilfe (siehe Seite 63 f.), an. Heute investiert sie ehrenamtlich rund 30 Stunden pro Woche in den Verein – nicht als Beruf, denn es ist ein unbezahltes Engagement, es ist vielmehr Franziska Liebhardts Berufung. Und damit begeistert die heute 43-Jährige auch die nachfolgende Generation.
14 junge Athletinnen und Athleten aus den Sportarten Leichtathletik, Judo, Triathlon, Segeln, Hockey, Snowboard, Fechten, Wasserspringen oder Ski nordisch haben sich auf Initiative des Vereins zu den „KiO Young Champions“ zusammengeschlossen. Unter ihnen auch Niklas Kaul:
„Ich darf mit dem Sport meinen Kindheitstraum leben. Ich weiß aber auch, dass es viele Kinder und Jugendliche gibt, die nicht so viel Glück haben. Deswegen engagiere ich mich bei KiO“, macht der frühere Zehnkampf-Weltmeister seine Motivation deutlich. Und Hockey-Nationalspielerin Stine Kurz, ebenfalls bei den „KiO Young Champions“, erklärt:
„Im Sport habe ich gelernt, wie wichtig Teamgeist und Kameradschaft sind, das hat mich geprägt.
Ich möchte Menschen helfen, weil ich fest daran glaube, dass wir gemeinsam Großes erreichen können. Besonders die Bereitschaft zur Organspende und die Unterstützung organkranker Kinder liegen mir am Herzen.
Es gibt nichts Wertvolleres, als einem anderen Menschen Hoffnung und eine zweite Chance auf Leben zu schenken.“
Für Franziska Liebhardt stehen Kaul, Kurz und alle weiteren „KiO Young Champions“ für eine neue Sportlergeneration, die Mut macht, die ihren Weg gehen werden.
„Alle haben eine Perspektive für eine erfolgreiche sportliche Zukunft, aber auch eine soziale Ader. Ich finde es großartig, wenn junge Menschen auf der Sonnenseite des Lebens mit ihren Mitmenschen mitfühlen und sie mit ihren besonderen Möglichkeiten unterstützen.“ Wenn sie einen Wunsch frei hätte, würde sie gerne auch allen anderen jungen Athletinnen und Athleten mitgeben: „Auch als junger Sportler kann man sich überlegen, welche Themen einem wichtig sind. Und dann kann ich nur empfehlen:
Nutzt eure Stimme, denn als Spitzensportler hat man eine lautere, eine, die gehört wird. Nutzt sie nicht nur für den Sport, sondern für Themen darüber hinaus, die Euch wichtig sind."
Nicht „Dabei sein ist alles“, sondern unter dem Motto „Dabei bleiben ist alles“ rief die Stiftung Deutsche Sporthilfe am 9. Mai 2000 und damit vor 25 Jahren den Sporthilfe Alumni-Club ins Leben. Er versteht sich als Netzwerk und Kontaktbörse über die sportliche Karriere hinaus und fördert den Austausch seiner Mitglieder untereinander und zur Sporthilfe. Zugleich unterstützen die Mitglieder die Sporthilfe-Athletinnen und -Athleten der aktuellen Generation. So gab der frühere Weltklasse-Fechter Dieter Schneider bei der Club-Gründung die Parole aus: „Fragt nicht, was die Sporthilfe für euch tun kann, fragt lieber, was ihr für die Sporthilfe tun könnt.“ Mit Erfolg: Seit Bestehen spendeten die Alumni-Club-Mitglieder an die Sporthilfe eine Gesamtsumme von über 2,3 Millionen Euro für die nachfolgenden Athletengenerationen.